: „Hautkrebs hat einen Namen - Hoechst“
Umweltschutzorganisation Greenpeace besetzte FCKW-Firma / „Trojanisches Pferd“ überraschte Werksleitung / Hoechst ist weltweit größter FCKW-Produzent ■ Aus Frankfurt Rainer Kreuzer
Mit einer völlig unerwarteten Fracht an Bord legte das 58 Meter lange „Trojanische Pferd“ gestern morgen am Main-Hafen der Frankfurter Hechst AG an. Eine Salzladung sollte geliefert werden, statt dessen entlud der Kahn 230 AktionistInnen der Umweltschutzorganisation Greenpeace: gestylt mit weißen Overalls und weißen Regenschirmen. In einer blitzartigen, bis ins Detail durchorganisierten Aktion und filmreifer Kletterakrobatik wurden dann zwei Verlade -Krähne, das zentrale Salzdepot und mehrere Eisenbahnwagen besetzt, die mit dem FCKW-haltigen Kühlmittel Frigen beladen waren. Für die Presse hatte Greenpeace dazu eigens ein Touristen-Boot gechartert, von dem aus jede Einzelheit über die Kameras aufgezeichnet wurde.
„Hautkrebs hat einen Namen: Hoechst“ und „Ozonkiller Hoechst - Stopp FCKW jetzt“. Dies waren die zentralen Losungen, die die BesetzerInnen auf Transparenten an den Hafenkrähnen entrollten. An die MitarbeiterInnen des Chemie -Giganten - die während der Aktion ersteinmal eine Zuguck -Pause einlegten - verteilten GreenpeacelerInnen Flugblätter. Darin wurden die Beschäftigten aufgefordert, ihrer Firmenleitung „dabei zu helfen, sich vom technischen Rückschritt und vom Image des Klima- und Ozonkillers freizumachen“.
Mit 70.000 Tonnen pro Jahr ist die Hoechst AG nach Angaben von Greenpeace der weltweit größte FCKW-Produzent. 2.500 Tonnen Fluorchlorkohlenwasserstoffe würden dabei jährlich schon bei der Herstellung in die Luft geblasen. Das Unternehmen beruft sich darauf, daß es zwar 1986 noch 80.000 Tonnen FCKW produzierte. Bis Ende 1990 wolle die Firma die Produktion aber auf 60.000 und 1992 auf 40.000 Tonnen reduzieren.
Rund eine halbe Stunde waren die Umweltschützer auf dem Gelände, da erschien eine Polizeistreife mit zwei Beamten und Einsatzboote der Wasserschutzpolizei. Ein Polizeihubschrauber beobachtete vorsichtig den Verlauf der Aktion. Auch der Werkschutz ließ sich nur in schwacher Besetzung blicken. In der Pressestelle des Konzerns reagierte man gelassen. Die „tollkühnen“ Aktionen widersprächen zwar den Arbeitschutzvorschriften, so ein Sprecher, doch eine Räumung werde vorerst nicht erwogen.
Inzwischen hatten sich die Weißen bereits auf einen längeren Verbleib in ihren akrobatischen Stellungen eingerichtet. Einige hingen über Stunden an Kletterseilen, die Entladung eines Salzfrachters wurde mit der Besetzung verzögert. Das Salz wird bei der Produktion der Ozonkiller verwendet.
Bis 1995 will die Firma aus der Produktion von vollhalegonierten FCKWs aussteigen. Das Geschäft mit den ebenfalls ozonschädlichen Ersatzstoffen soll aber für eine unbestimmte „Übergangszeit“ weitergehen.
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