: Wer übernimmt die Firma?
■ Juristischer Streit um die Millionen des kranken Malers de Kooning
Seine Bilder hängen in Museen in aller Welt und werden zu Spitzenpreisen von mehreren Millionen Dollar gehandelt. Aber der international gefeierte Meister des abstrakten Expressionismus nimmt seinen Ruhm nicht mehr wahr: Willem de Kooning, der 1926 als blinder Passagier aus den Niederlanden in die USA kam, leidet an Morbus Alzheimer, jener unheilbaren Alterskrankheit, die langsam das Hirn des Menschen zerstört.
Und während der 85jährige stetig verfällt, entfaltet sich in einem Gericht auf Long Island bei New York ein - wie die „New York Times“ schrieb - „juristisches Drama“ um die Verwaltung des beträchtlichen Vermögens des Malers, um seine Hunderte von eigenen und fremden Werken umfassende Bildersammlung und um die Frage, wer sein Werk künftig wie vermarktet. Die Entscheidung wird voraussichtlich im August fallen.
Schon im Februar, kurz nach dem Krebstod von de Koonings Ehefrau Elaine - auch sie eine anerkannte Malerin -, hatte die uneheliche Tochter des Künstlers, die 33 Jahre alte Lisa de Kooning, beim obersten Gericht des Bundesstaates New York in Mineola (Long Island) die Entmündigung ihres Vaters beantragt, weil er nicht mehr in der Lage sei, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern.
Da Lisa de Kooning nicht nur das einzige Kind, sondern auch die Universalerbin des Malers ist, läge es nahe, daß sie auch zu seinem Vormund ernannt würde. Gegen diese Lösung aber hat der vom Gericht ernannte Prozeßvertreter de Koonings, der Anwalt Pierre G. Lundberg, Einspruch eingelegt. Lundberg will, daß zumindest noch ein zweiter Vormund bestellt wird, denn bei der Tochter gebe es im Hinblick auf die Vormundschaft „einige potentielle Konflikte“.
Die Konflikte liegen im finanziellen Bereich. Lisa de Kooning, die verheiratet ist und ein Kind hat, lebt nach den Gerichtsunterlagen von Zuwendungen ihres Vaters in Höhe von 375 000 Dollar (rund 700 000 Mark) im Jahr. Außerdem soll sie bei ihm einen Kredit in Höhe von mehr als 342 000 Dollar aufgenommen haben.
Sollte sie jetzt zum alleinigen Vormund ernannt werden, könnte sie ein finanzielles Motiv haben, argumentiert Lundberg, möglichst rasch möglichst viele Bilder aus dem Besitz ihres Vaters zu verkaufen. Das wiederum könnte sich negativ auf die Preise der Bilder auswirken und deshalb den Interessen des Malers zuwiderlaufen. Was die jährlichen Zahlungen angehe, so sollte die Summe zumindest so lange auf 156 000 Dollar verringert werden, bis feststehe, wie hoch das Einkommen des Malers aus Verkäufen seiner Bilder sei.
Dieses Einkommen ist im letzten Jahr dramatisch gesunken. 1987 nämlich starb de Koonings langjähriger Händler Xavier Fourcade. Seitdem hat der Maler keine Galerie mehr, die ihn vertritt. 1988 lag das Einkommen des Künstlers aus Verkäufen „nur noch“ bei 1,7 Millionen Dollar, 1987 waren es über 9,3 Millionen Dollar gewesen.
Als neue Repräsentantin de Koonings ist jetzt die Pace Gallery in New York vorgesehen. Und sie wird weiter neue Werke des greisen Malers anbieten können. Trotz seiner schweren Erkrankung, die ihm bereits weitgehend die Sprache geraubt hat, steht de Kooning in seinem Haus in East Hampton (Long Island) weiter an der Staffelei. Und seine neuen Arbeiten zählen, wie der Leiter der Pace Gallery, Arnold Glimcher, dem Prozeßbevöllmächtigten Lundberg mitteilte, „zu den besten de Kooning-Werken, die er je gesehen hat“.
Gerd-Eckard Zehm (dpa)
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