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Ochoa: Ein Held Kubas oder aber Mr.Hyde?

Kuba rätselt: Ist der am Freitag zum Tod verurteilte Ex-General Ochoa ein Held, der die Interessen seines Landes vertrat? / Oder nutzte er seine Position, um dicke Schieber- und Drogengeschäfte zum eigenen Nutzen durchzuziehen?  ■  Von Eva von Hase-Mihalik

Havanna (taz) - „Haben Sie nie daran gedacht, daß Sie mit Ihren abenteuerlichen Aktivitäten Kuba vollständig den Angriffen des Feindes ausgeliefert, ja, an den Rand der Katastrophe gebracht haben?“, rief Militärstaatsanwalt Juan Escalona verbittert in seiner Schlußrede vor dem Militärgericht aus. „Alle Verleumdungen, die wir seit Jahren zurückgewiesen haben, sehen jetzt aus, als seien sie wahr haben Sie nie an die Millionen jugendlicher Drogenopfer gedacht?“, richtete er sich an die Hauptangeklagten Ex -General Arnaldo Ochoa und Antonio de la Guardia Font.

Das Hauptgesprächsthema in Havanna, bei der Arbeit, zu Hause oder in den Cafes, hat mit dem gestern erfolgten Todesurteil gegen beide und zwei weitere Offiziere einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Fast kann man es eine traumatische Erfahrung nennen, die die kubanische Gesellschaft - bei der Entdeckung des Ausmaßes von Korruption bis zum internationalen Drogenhandel erschüttert. Überall mischt sich Empörung mit tiefer Enttäuschung. General Arnaldo Ochoa, der Befreiungskämpfer in der Sierre Maestra, erfolgreicher Berater der Sandinisten im Kampf gegen die Contra und schließlich Chef der kubanischen Truppen in Angola, war nicht nur ein beliebter Mann, er wurde von vielen wegen seines Mutes und seiner Kühnheit bewundert und geradezu geliebt. Er war ein wirklicher - und dekorierter - „Held der Nation“. Seine Nachbarn erzählen von seiner sympathischen und charmanten Ausstrahlung und schwärmen von Ochoa, der ganz und gar nicht die Attitüden eines arroganten oder luxussüchtigen Generals besaß.

Ganz anders die Reaktionen über den Fall des wenige Tage vor Ochoa abgesetzten und verhafteten Transportministers Diocles Torralba - nach offiziellen Angaben völlig unabhängig von Ochoa -, bei dem sich die Leute fragten, warum es solange dauerte, bis ihm das Handwerk gelegt wurde: „Der hatte soviele Autos, soviele Häuser, das war doch offensichtlich, das da was faul war“, meint eine junge Lehrerin.

Wie konnte so etwas passieren, wie konnte jemand wie Ochoa sich in Angola zu einem Dealer mausern, der alles auf dem Schwarzmarkt in Landa verhökern ließ, was ihm nur unter die Finger kam, ist die Frage, die alle bewegt. Fleisch, Bananen und Zucker, bestimmt für die kubanischen Soldaten, aber auch Elfenbein, Diamanten und Holz wurden verschoben. „Damit wollten wir die leeren Kassen des Staates aufbessern und der Revolution dienen“, erklärt mit unschuldigem Augenaufschlag einer der Untergebenen Ochoas vor dem Ehrentribunal, das im Fernsehen übertragen wird.

Abenteuerliche Pläne über den geplanten Bau einer Kokainfabrik in Angola wurden ausgeheckt. Der oberste Adjutant von Ochoa, General Jorge Martinez, flog mehrere Male mit einem gefälschten Paß nach Kolumbien, um sich dort mit dem Chef des Medellin-Kartells, Pablo Escobar, zu treffen. Sogar über den Verkauf von Luftabwehrraketen an die Kokain-Mafia wurde während einer dieser Besuche gesprochen.

„Kein Mensch im Ausland glaubt doch“, ruft der Militärstaatsanwalt Juan Escalona in seinem Schlußplädoyer, „daß ein hoher kubanischer Offizier mit einem gefälschten Paß ins Ausland fliegen konnte, ohne daß der Chef der Revolutionären Streitkräfte davon wußte.“ - Mehrere der Angeklagten hatten umfassende Vollmachten, um den Handelsboykott der USA zu durchbrechen, die sie bei ihrer Drogentätigkeit nutzten. Über die Frage, ob Fidel oder Raul wußten oder nicht, sind sich die westlichen Diplomaten in Havanna uneinig.

Daß Ochoa oppositionelle Meinungen vertrat und deswegen abserviert wird, glaubt kaum einer. Während ein Botschafter davon ausgeht, daß es „in diesem Land unvorstellbar ist, daß etwas ohne die Kenntnis Fidels geschieht“, hält ein anderer Gesandter dies dagegen für unwahrscheinlich. „Dann wäre es viel zu gefährlich, diesen Fall derart öffentlich auszutragen. Das wird in keinem anderen lateinamerikanischen Land so gemacht.“

Ochoa auf der Anklagebank - bis zur Aberkennung seiner Titel noch in Generalsuniform - sah deprimiert aus. Drogen? Eher wirkte er wie einer, der mehrere Jahrzehnte die Ideale von „Revolutionär, Heldentum, Opferbereitschaft, Disziplin und Ehre“ teilte und nun vor den Scherben all dessen steht, was ihm wichtig war - klaren Auges, was ihn erwartet.

Einige der 47 Generäle, die sich im militärischen Ehrengericht äußerten, forderten mit schneidender Schärfe: „Diesen Schandfleck der Geschichte auszuwaschen fusilieren!“ Anderen war der Schmerz anzusehen, über den jahrzehntelangen Kampfgenossen richten zu müssen, sie appellierten an die Verantwortung der Partei und deren Verantwortung an diesen „schrecklichen Verfehlungen. Das Kriegsgericht entschied sich am Freitag für die harte Gangart. Neben Ochoa und De la Guardia wurden auch Amado Padron Trujillo und Jorge Martinez Valdes wegen Geschäften mit dem Medellin-Kartell zum Tode verurteilt.

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