: Kritik an Asylkampagne der CDU wächst
■ GEW wirft der CDU ausländerfeindliches Hetzvokabular vor / Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelfer begrüßt aufenthaltsrechtliche Verbesserungen
Falls den CDU-Abgeordneten Eberhard Diepgen und Ekkehard Wruck auch die parlamentarische Sondersitzung über Asylpolitik am Dienstag noch nicht genügt, können sie umgehend weiter diskutieren. Der Berliner Flüchtlingsrat hat Diepgen und Wruck für den darauffolgenden Mittwoch zu „einem ernsten Gespräch“ eingeladen. Gestern appellierten mehrere Wohlfahrts- und Flüchtlingsorganisationen an die CDU, die Diskussion um die Neuregelung des Innensenats zum Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen zu versachlichen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beschuldigte die CDU, das ausländerfeindliche Hetzvokabular der „Republikaner“ übernommen zu haben. Diepgen hatte in diesem Zusammenhang Berlin als „Schwamm“ bezeichnet, der „alle Flüchtlinge aufsaugt“, während sich der CDU-Abgeordnete Buwitt durch den Ausspruch hervortat, die Weisung des Senats trage zur „Auflösung der nationalen Identität der Bevölkerung in Deutschland“ bei.
Ungewöhnlich scharf formulierte auch die Humanistische Union ihre Kritik an der Asylkampagne der Berliner CDU. Es sei schändlich und unverantwortlich, aus machtpolitischem Kalkül Unwahrheiten zu verbreiten und zu Lasten von Flüchtlingen die Fremdenfeindlichkeit weiter zu schüren. Veronika Arendt-Rojahn, Rechtsanwältin und stellvertretende Vorsitzende der Liga für Menschenrechte, wertete die Weisung von Innensenator Pätzold als eine richtige Antwort auf die Verschärfung des Asylverfahrensgesetzes und die zunehmend restriktive Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Durch die wachsende Zahl abgelehnter Asylanträge seien immer mehr Flüchtlinge von einer „Duldung“ abhängig gewesen, die zwar die Abschiebung aussetzt, die Betroffenen jedoch in einen Zustand konstanter Unsicherheit hält. Nach der neuen Weisung erhalten nun rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber, die länger als fünf Jahre in Berlin leben, eine Aufenthaltserlaubnis. Flüchtlinge aus Afghanistan, Äthiopien, dem Libanon, Sri Lanka und dem Iran dürfen ohnehin nicht abgeschoben werden und können sofort eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. „Damit sparen wir die enorm teuren Asylverfahren und Anwaltskosten“, erklärte Yvonne Bearne von der Arbeiterwohlfahrt. Etwa 3.500 bis 4.000 Menschen werden nach Schätzungen von Flüchtlingsorganisationen von der Neuregelung profitieren.
Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelfer, die die Senatsweisung gestern ausdrücklich begrüßte, bleibt die Zahl der ehemals straffälligen Ausländer, die nun eventuell für eine „Duldung auf Bewährung“ in Frage kämen, gering. Allerdings werde diesen Menschen nun eine reellere Integrationschance gegeben. Mit sichtlicher Verblüffung nahmen Mitarbeiter von Beratungsstellen die Behauptung der CDU zur Kenntnis, Berlin verwandele sich nun in ein „Mekka für ausländische Straftäter“. Berlin sei generell für Flüchtlinge kaum mehr zu erreichen, erklärte Ralph Ghadban vom Diakonischen Werk. Er könne sich nur schwer vorstellen, daß nun massenweise Flüchtlinge auf dem Ostberliner Flughafen Schönefeld landeten und „dort Verbrechen begehen, in der Hoffnung, so in den Berliner Strafvollzug zu gelangen“. Für den kommenden Montag haben AL, Flüchtlingsorganisationen und Bürgerrechtsgruppen zu einer Demonstration für eine humane Asylpolitik aufgerufen.
anb
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