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Alter Journalistenverband lebt

Polen-Serie „Kleine Geschichte der Revolution“ - Teil V / Bratkowskis Journalistengewerkschaft  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

„Wir wollten uns eigentlich am 16. Dezember vor acht Jahren treffen“, sagte Dariusz Fikus, neugewählter Sekretär in seiner ersten Rede vor der Vollversammlung der Mitglieder des polnischen Journalistenverbandes. „Doch der Kriegszustand kam uns zuvor.“

Der polnische Journalistenverband, der vierzig Jahre lang als relativ parteinahe Institution bestanden hatte, wurde nachdem er sich während der Solidarnosc-Zeit 1980 immer unabhängiger gemacht hatte - 1982 aufgelöst. Ca. 1.000 Journalisten verloren infolge der „Verifizierung“, wie die anschließende Säuberung beschönigend genannt wurde, ihre Arbeit, weigerten sich, Loyalitätserklärungen zu unterschreiben und in den sofort nach Auflösung des alten Verbandes neugegründeten „Journalistenverband der Volksrepublik Polen“ einzutreten.

Für viele, so meint Verbandschef Bratkowski heute, sei damals die einzige Möglichkeit gewesen, in der Provinz Arbeit zu finden. „Wir gaben damals eine Erklärung heraus, daß jeder, der sich in einer Zwangslage befindet, unserem Verband gegenüber eine Erklärung abgeben kann, daß er unfreiwillig in den Konkurrenzverband eintritt. In diesem Fall verfällt seine Mitgliedschaft bei uns nicht.“

Damals gingen ca. 800 solcher Erklärungen bei Bratkowski ein. Heute, da Bratkowskis Verband wieder legal ist, kommen viele wieder zurück vom „Journalistenverband der VR Polen“ (abgekürzt SD PRL) zum wiedergegründeten „Polnischen Journalistenverband“ (SDP). Dazu muß man allerdings zuerst die alte Mitgliedschaft aufgeben, denn das Statut des SDP verbietet eine Doppelmitgliedschaft. Kein Eintritt heißt es auch für Kollegen, die in den letzten acht Jahren gegen die „journalistische Ethik“ verstießen - das heißt an der Hetzkampagne gegen Andersdenkende und Internierte während des Kriegsrechts teilgenommen haben.

Der SDP betrachtet sich trotz seiner Auflösung 1983 als Nachfolger des alten Verbandes. Tatsächlich ist nicht nur der Name der gleiche. Auch der Vorsitzende ist mit Bratkowski der gleiche geblieben. Unmittelbar nach der Auflösung des SDP ging allerdiings dessen Vermögen zum SD PRL über, von der Mitgliederkartei bis zu Häusern, Wohnungen und Vermögen. Im Moment bereitet sich Bratkowski deshalb gerade auf Verhandlungen mit der Konkurrenz vor, um den Besitz wieder zurückzubekommen. Nicht ohne Konflikte wird auch die Forderung des SDP bleiben können, alle im Rahmen der Verifizierung von 1982 entlassenen Journalisten wieder einzustellen.

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