: WAA-Ersatz schafft mehr Arbeitsplätze
Wird aus dem WAA-Gelände ein High-Tech-Zentrum? / Die Ansiedlung von BMW auf dem Gelände bringt mehr Arbeitsplätze als die WAA / Wird hier doch ein atomares Zwischenlager errichtet? ■ Von Luitgard Koch
Wackersdorf (taz) - „Unsere Arbeitsplatzsorgen dürften wir los sein“, freut sich der Schwandorfer SPD-Landrat Hans Schuierer. Grund: die „prima Nachricht“ aus der bayerischen Staatskanzlei, daß sich der weiß-blaue Automobilkonzern BMW auf dem WAA-Gelände ansiedelt.
Bereits Ende 1990 sollen auf dem 47 Hektar großen Areal Automobilbauteile produziert werden, erklärte gestern der Leiter der Konzernplanung, Werner Sämann, auf einer Pressekonferenz in Wackersdorf. Hergestellt werden sollen Rohbauteile für bereits ausgelaufene Modelle sowie Teile für Polizeifahrzeuge, Feuerwehr und gepanzerte Fahrzeuge. Neben dieser Fertigung will BMW auch eine zukunftsorientierte Pilotanlage zur Wiederververwertung von Fahrzeugen betreiben. In der ersten Ausbaustufe rechnet der Betrieb mit 250 Arbeitsplätzen; bis 1995 sollen 1.600 ArbeiterInnen dort beschäftigt werden. Damit hat allein diese Ansiedlung der Region mehr Arbeitsplätze gebracht als die umstrittene Oberpfälzer Atommüllfabrik. Zu welchem Preis BMW das Gelände erworben hat, dazu wollte sich der Sprecher der DWW, Egon Mühlberger, nicht äußern. Auch über die Investitionssumme von BMW gab es keine genauen Zahlenangaben. Sämann sprach von „mehreren 100 Millionen Mark“. Der Vertrag zwischen der DWW und BMW wurde bereits am vergangenen Freitag vorunterzeichnet.
Ausschlaggebend für die Ansiedlung sei gewesen, daß es sich beim WAA-Gelände um das „in der Bundesrepublik größte voll erschlossene Industriegelände“ handele. Außerdem liegt das neue Werk verkehrstechnisch günstig zwischen den BMW-Werken Regensburg und Dingolfing.
„Nicht der Widerstand hat dieses Vorgehen bewerkstelligt, sondern der große Einsatz des bayerischen Ministerpräsidenten Streibl und die Bereitschaft der Energieversorgungsunternehmen“, brüstete sich das DWK -Vorstandsmitglied Walter Weinländer. Ganz anderer Meinung sind dagegen die Mitglieder der Anti-WAA-Bürgerinitiative wie auch der Schwandorfer Landrat. Für sie ist klar, daß der anhaltende Widerstand der Bevölkerung mit dazu beitrug das „WAAhnsinnsprojekt“ scheitern zu lassen. Zudem wollte der BMW-Konzern bereits zu Beginn der 80er Jahre, so der grüne Landtagsabgeordnete Raimund Kamm, sein viertes Werk statt in Regensburg auf dem brachliegenden Industriegelände des bayerischen Braunkohletagebaus in der Nähe von Schwandorf bauen. Diese Ansiedlung sei jedoch durch die bayerische Staatsregierung verhindert worden, „die die Arbeitslosigkeit in der Region dazu nutzen wollte, die Akzeptanz für die WAA in der Bevölkerung zu erhöhen“.
Wie aus CSU-Kreisen verlautet, hat der BMW-Vorstand für die Ansiedlung zur Bedingung gemacht, daß das Gelände nicht mehr kerntechnisch, sondern ausschließlich „industriell genutzt“ wird. Die Schwandorfer Bürgerinitiative ist jedoch weiterhin mißtrauisch. „Wir befürchten, daß das Brennelementeeingangslager als Zwischenlager genutzt wird“, so ihre Sprecherin Irene Sturm. 1993 soll nämlich der radioaktive Müll aus Frankreich und England wieder zurücktransportiert werden. Besonders mißtrauisch macht die Bürgerinitiative die eventuelle Vermietung des Brennelementeeingangslagers an die Würzburger Firma Noell. Im Gespräch ist, daß Noell das Lager für zwei bis drei Jahre zur Herstellung von Stauwehrteilen des Rhein-Main-Donau -Kanals nutzt. Die Firma ist jedoch gleichzeitig ein bedeutendes Unternehmen der Atomindustrie. In ihrer kerntechnischen Abteilung Edelstahl werden auch Lagergestelle für Brennelemente hergestellt. Die Abteilung Entsorgung ist für die Handhabung und den Transport von verbrauchten Kernbrennstoffen zuständig. Bedenken, daß auf dem WAA-Gelände doch noch ein Unternehmen aus dem Nuklearbereich sich ansiedelt, äußerte auch Bayerns Wirtschaftsminister Lang.
Da BMW die Hälfte des WAA-Areals aufgekauft hat, muß die geplante Solarzellenfabrik von Siemens und den Bayerwerken auf das Industriegelände Nord ausweichen. 18 Hektar hat außerdem die Küchengerätefirma Wilden-KG aufgekauft, die in den nächsten zehn Jahren rund 500 Mitarbeiter beschäftigen will. Bis 1991 will sich die DWK aus der Geländevergabe zurückziehen und das Industriegebiet der Gemeinde Wackersdorf übergeben. Kommentar auf Seite 8
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