: EG - Zuckerbrot und Peitsche
Letzte Woche hatte der Agrarministerrat in Brüssel grünes Licht für den ersten Schub an Nahrungsmittelhilfe an Polen, so wie er von der EG-Kommission vorgeschlagen worden ist, gegeben. Bis zum Wochenende weilte unterdessen eine technische Delegation der EG-Kommission in Polen, um vor Ort festzustellen, was überhaupt von den EG-Überschußabgaben willkommen sein könnte. Die EG-Kommission möchte diesmal die Fehler früherer Jahre vermeiden. Die Nahrungsmittel sollen der Bevölkerung zugute kommen und nicht in Funktionärskreisen versickern oder den einheimischen Markt kaputtmachen. Deshalb wird der Beschluß der Agrarminister in Brüssel „indikativ“ behandelt. Im Klartext: Die beschlossene Getreidemenge z.B. wird entsprechend später geliefert, falls die polnische Getreideernte sehr gut ausfallen wird.
Die vom Agrarministerrat beschlossenen Güter sind vorhanden, und nach Angaben der EG-Kommission könne die Lieferung sehr schnell und unbürokratisch anlaufen. Die Nahrungsmittel sollen ohne Frachtkosten bis an die polnische Grenze geschickt werden. In Polen müssen sie aber zu bestimmten Preisen, die noch auszuhandeln sind, auf den Markt kommen. Die Profite aus dem Verkauf müssen in einen Fonds eingezahlt werden, um die ökonomische Umstrukturierung im eigenen Land zu fördern. Aus dem Fonds sollen nicht nur Projekte in der Landwirtschaft, sondern auch im Bereich der Weiterbildung, des Managements oder auch des Umweltschutzes gefördert werden. Diese Projekte wiederum werden von der Europäischen Kommission mitfinanziert werden, und der Fonds wird von der EG-Kommission und der polnischen Regierung gemeinsam verwaltet. Solidarnosc befürchtete ursprünglich, die Nahrungsmittelhilfe könnte kurzfristig die prekäre Lebensmittelknappheit im Land aufheben. Dies könne in der Folge zu einer Verschleppung der Reformen, die in Richtung Marktwirtschaft abzielen, führen. Sie war aber jetzt in die Gespräche einbezogen und steht inzwischen hinter diesem Konzept.
Morgen findet in Brüssel eine Konferenz der 24 OECD -Geberländer über die Polenhilfe statt, um über den Exportvorschlag zu entscheiden.
Hortense Hörburger
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