„Gott erhalte Walter Momper!“

■ Die neue Ausländerregelung des Senats bewahrte Laura G. aus Äquatorial-Guinea vor der Abschiebung / Hoffnung nach jahrelanger Angst

„Manchmal bin ich total verrückt, ich singe auf der Straße, und alle Leute drehen sich um.“ Verlegen lächelnd beschreibt Laura G. (Name von der Redaktion geändert) ihre Stimmung, seit sie durch die Weisung des Berliner Innensenators nicht mehr akut von der Abschiebung betroffen ist. Die junge Frau aus Äquatorial-Guinea ist ein bißchen verwirrt über den Medienrummel, der plötzlich um sie veranstaltet wird. Sowohl ARD als auch ZDF haben sich für ihren „Fall“ interessiert und Interviews gemacht. Laura G. hat in der Tat einiges zu erzählen.

Sie lebt seit Juli 1981 als Flüchtling in Berlin - die geforderte Frist von fünf Jahren Daueraufenthalt für eine Aufenthaltserlaubnis hat sie längst überschritten. Von einem Auslandsaufenthalt in der Sowjetunion, wo sie eine Ausbildung zur Geburtshelferassistentin absolviert hatte, hatte sie nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Seit 1979 herrscht dort ein Militärregime. Alle Auslandsaufenthalte, so erzählt sie, seien grundsätzlich verdächtig, zumal bei Frauen, die dann noch mit einem qualifizierten Beruf zurückkehren. Sie riskierten, als Agentin verhaftet zu werden - ein Schicksal, das ihrer Kusine widerfuhr, die nach ihrer Rückkehr aus Spanien verhaftet wurde und seitdem im Gefängnis sitzt.

Aus der Sowjetunion mußte sie nach Ende ihrer Ausbildung ausreisen. Berlin war ihre erste Station. Sie blieb hier, „weil sowieso alles egal war“. Als Mitglied einer Exilorganisation zum Sturz des Regimes in Äquatorial-Guinea sei sie zusätzlich gefährdet gewesen, erzählt sie. Dem stimmte auch das Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge zu, nicht aber der Bundesbeauftragte, der die Anerkennung ihres Asylantrages nicht zulassen wollte. Einfachen Mitgliedern von Exilorganisationen drohe keine Verfolgung, und die Regierung in Äquatorial-Guinea bemühe sich zudem um demokratische Reformen, hatte der Bundesbeauftragte erklärt: „Ein Verfolgungsrisiko ist zwar nicht ausgeschlossen,“ - so wörtlich seine Begründung „jedoch nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen.“

Auch die nächste Instanz, das Verwaltungsgericht, kam zu dem Schluß, daß keine Bedenken gegen die Heimreise von Laura G. bestünden. Diese Entscheidung erschien um so unverständlicher, als alle Flüchtlinge aus Äquatorial-Guinea in Berlin als politisch Verfolgte anerkannt wurden, wie Laura G. berichtete. Nur ihr, der einzigen Frau in dieser Flüchtlingsgruppe, drohte die Abschiebung. Der Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis wurde postwendend abgelehnt; statt dessen erhielt Laura eine Duldung, die alle 14 Tage zu erneuern war. Ende 1988 schienen ihre Tage in Berlin endgültig gezählt. Sie wurde mehrfach zur Ausreise aufgefordert. Die Abschiebung wurde angedroht. Noch am 14.6. 1989, sechs Tage, bevor die neue Weisung des Innensenats erging, lehnten die Behörden Laura G.s zweiten Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung ab, die Koalitionsvereinbarungen seien nicht bindend. Als sechs Tage später die Weisung des Innensenats zum Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge erging, war das für Laura die „Rettung in letzter Minute“. Noch hat sie den ersehnten Stempel nicht im Paß, doch die Aufenthaltserlaubnis wurde ihr bereits in Aussicht gestellt. Sie kann ihr Glück immer noch nicht ganz fassen, die Aussicht, nun endlich ein normales Leben zu führen - ohne die Angst, die sie jahrelang begleitete, ohne Depressionen angesichts der erzwungenen Untätigkeit, ohne Alpträume. Erstmals seit acht Jahren darf sie nun Berlin auch einmal verlassen und nach West-Deutschland reisen, was ihr bislang untersagt war. Und sie hofft auf die Arbeitserlaubnis, um endlich in ihrem Beruf arbeiten zu können, für den es laut Arbeitsamt keinen Bedarf gegeben habe.

Wie viele Flüchtlinge hat Laura mittlerweile ein Gespür für die politischen Verhältnisse in der Stadt entwickelt. Ihre Befürchtungen angesichts des Proteststurms gegen die Asylpolitik des rot-grünen Senats münden in einen tiefen Stoßseufzer: „Gott erhalte mir Walter Momper.“

Kordula Doerfler