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Die Karte für Schwarzfahrer

■ Die Umweltkarte, mit der der Berliner Senat ab Oktober mehr BVG-Fahrgäste gewinnen will, ist eine Idee des Bremer SPD-Senats / Die Erfahrungen in der Hansestadt zeigen: Niedrige Tarife allein reichen für attraktiven Nahverkehr nicht aus

In Bremen haben selbst die SchwarzfahrerInnen eine eigene Monatskarte: Knallschwarz ist sie in Plastik eingeschweißt und so groß wie eine Scheckkarte. Kostenpunkt für den ganzen Monat: 40Mark. Und der besondere Clou bei der Geschichte: Die Karte kann von beliebig vielen SchwarzfahrerInnen für Bahn und Bus benutzt werden, nacheinander versteht sich.

Was da der rot-grüne Senat in Berlin ab Oktober einführen will, hat die SPD-Regierung in Bremen bereits vor drei Jahren beschlossen: Eine verbilligte, frei übertragbare Monatskarte. Nach jahrelangem Zögern war die Stadtregierung eine Anregung der Bremer Grünen gefolgt, die bereits 1983 eine solche Karte gefordert hatten. Der Zwang der ökonomischen Verhältnisse ließ kaum mehr eine andere Wahl, Bus und Bahn waren immer weiter in die roten Zahlen gefahren, die Nachfrage immer geringer geworden. Angesichts eines sich bereits abzeichnenden Verkehrschaos in der Innenstadt kam eine weitere Leistungsbeschränkung nicht mehr in Frage.

Und der Erfog der kleinen bunten Plastikkärtchen war überwältigend: Die auf einen Schlag um 34Mark verbiligte Monatskarte wurde bereits im ersten Monat 65.733mal verkauft. Die Nachfrage stieg, unterstützt durch eine große Werbekampagne, kontinuierlich weiter. Mit der Kampagne gelang es der Bremer Straßenbahn AG vom Image eines verschlafenen städtischen Unternehmens wegzukommen. Für alle erdenklichen Zielgruppen wurden eigene bunte Kärtchen auf den Bremer Markt geworfen: Für den „Werder-Fan“ die grün -weiße, für „Lokalpatrioten“ die rot-weiße Speckflagge Bremens, für „Naturfreunde“ die grüne Wiese, die sich im blauen Himmel verliert. Und ständig wurde das Programm ergänzt.

Bisweilen läßt sich die PR-Abteilung der Straßenbahn AG eine Karte von einem italienischen Designer als limitierte Kunstausführung gestalten, die trotz zwei Mark Aufschlag reißenden Absatz findet.

Inzwischen hat die Bremer Karte eine kleine Schwester bekommen, das Bremer Kärtchen. Für 6,50Mark können Bahn und Bus zwei Tage lang beliebig oft von beliebig vielen Personen benutzt werden. Besonders am Wochenende ist das Kärtchen ein Renner: Dann kann eine ganze Familie mit der Karte zwei Tage fahren. Die Zwei-Tage-Karte schmückt derzeit die lila Milka -Kuh.

Inzwischen haben Karte und Kärtchen einen Marktanteil von mehr als 60Prozent. Eine Entwicklung, die die BSAG mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis nimmt. Denn die ertragsstärkeren Einzelfahrausweise werden immer weniger verkauft, und insgesamt ist die Fahrgastzahl wieder leicht rückläufig. Gegen das wieder steigende Defizit bei Bahn und Bus fallen dem Senat nur die traditionellen Lösungen ein: Rauf mit den Preisen. Ausgerechnet die Bremer Karte soll um fünf Mark teurer werden.

Inzwischen hat sich auch bei der BSAG die Erkenntnis durchgerungen, daß mit Tarifen alleine gegen eine Vorrangpolitik für den ÖPNV nicht durchgesetzt werden kann. Forderung des Unternehmens nun: Bahn und Bus müssen schneller werden. Denn bislang zotteln die Straßenbahnwagen mit langsamen 19 Kilometern pro Stunde durch Bremen. Da sind in aller Regel Autos, auch wenn sie zwischendurch in Staus stehen, immer noch schneller. Der Senat reagierte auf die BSAG-Forderung inzwischen mit einem Langzeitprogramm: Bis über das Jahr 2000 hinaus sollen die Bahnen separate Fahrspuren bekommen.

Holger Bruns-Kösters

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