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Oostzee: Dow Chemical übernimmt Haftung

■ Immer noch hohe Giftkonzentration / Schicksal des Frachters ungewiß Dow: Verbraucher sind schuld / Greenpeace protestiert gegen „Abschiebung“

Stade/Bützfleth (taz) - Mit der Anlieferung der beschädigten Epichlorhydrin-Fässer im Dow-Werk Stade sollte gestern für den Hersteller die „Oostzee-Geschichte“ eigentlich beendet sein. Die Presse war extra zur Besichtigung des „glücklichen Endes“, so Werksdirektor Bernhard Brümmer, dieser unendlichen Geschichte geladen worden. Als jedoch gestern morgen um 9 Uhr die Fähre mit dem bezeichnenden Namen „Elbclearing“ am Anleger vor der 580 Hektar großen Chemiefabrik festmachte, hatte sie keineswegs alle demolierten Fässer an Bord. Zwar waren es immerhin 159, davon 38 leck und 15 so zerquetscht, daß sie in kein Überfaß mehr paßten und deshalb in einem mit Wasser gefluteten Container transportiert worden waren. Doch an Bord des Unglücksfrachters stehen noch weitere 30 beschädigte Gift -Behälter. Sie konnten am Donnerstag jedoch nicht mehr abgeladen werden, da die „Oostzee“ ihren Platz im Brunsbüttler Hafen an einen Tanker abgeben mußte. Am gestrigen Abend sollte der Krisenstab wieder zusammentreten und darüber beraten, was mit dem verseuchten Schiff geschehen wird, wenn auch diese restlichen Fässer und die Giftbrühe, die sich im Schiffsrumpf gesammelt hat, beseitigt sind. Das Schicksal des Frachters ist weiter ungewiß. Gegen die „Abschiebung“ des Schiffes vor einer vollständigen Entsorgung hat Greenpeace bereits vorsorglich protestiert, als Pläne bekannt wurden den Frachter nach Rotterdam zurückzuschicken. Bei Messungen im Unterdeck des Schiffes, wo noch mehrere tausend Fässer stehen, wurden von einem unabhängigen Sachverständigen Konzentrationen gemessen, die 20fach über den zulässigen Grenzwerten liegen.

Trotz alledem präsentierte sich der Presse gestern ein zufriedener Dow-Werksdirektor. Das Wichtigste sei, daß bei der ganzen „Aktion niemand zu Schaden gekommen ist“, verkündete Brümmer, wobei er die Krankenhausaufenthalte von insgesamt 22 Menschen übersehen hatte. Dow unterschreibe das Verursacherprinzip voll und ganz, sagte Brümmer auf eine entsprechende Frage und verwies darauf, daß ihre Beteiligung an der Bergungsaktion die Firma rund eine Million Mark kosten werde. Doch müsse darüber diskutiert werden, wie weit man bei der Suche des Verursachers zurückgehe. In letzter Konsequenz könne dies nämlich bis zum Verbraucher führen, der durch seine Nachfrage Produktionen verursacht. Viel sinnvoller erscheine es ihm, „zunächst das Vordergründige zu tun“, das heiße in diesem Fall, schlampige Stauarbeit zu verhindern. Auch wenn es noch zu früh sei, etwas abschließendes zu sagen, so stehe für ihn doch bereits jetzt fest, daß Dow zukünftig mehr Einfluß auf die Transporte nehmen werde. Dabei denke er an eine Überwachung der Verladung, bessere Fässer und ein Verbot von sogenannten Cocktail-Ladungen. Zu einem grundsätzlichen Verzicht auf Faß -Transporte jedoch mochte sich Brümmer nicht durchringen.

Das Dow-Werk in Stade produziert rund zehn Prozent des weltweit hergestellten Epichlorhydrins, wovon 80 Prozent vor Ort weiterverarbeitet werden (Epoxidharze) und 20 Prozent (etwa 14.000 Tonnen jährlich) auf die Reise gehen. Das gestern angelieferte Epichlorhydrin wird - soweit nicht verunreinigt - direkt in den Produktionsprozeß eingespeist und ansonsten wiederaufgearbeitet.

Kai Fabig

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