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In Workuta wird wieder gearbeitet

■ Beruhigung der Lage in der nordsibirischen Förderregion - Skepsis im Kusness-Becken

Moskau (dpa/taz) - Nach einem eintägigen Warnstreik haben die Bergleute in der nordwestsibirischen Stadt Workuta am Samstag beschlossen, alle Streiks bis zum 1.Januar 1990 auszusetzen. In fünf Gruben hatten die Kumpel am morgen erneut die Arbeit niedergelegt, weil die Regierung nach ihrer Ansicht den Zugeständnissen aus dem letzten Streik nicht nachgekommen war. Erst die Einsicht in die Regierungsdokumente zur geplanten Einlösung des damaligen Verhandlungskompromisses veranlaßte die Arbeiter jetzt zur Beendigung ihres Warnstreiks. Außer höheren Löhnen und eine bessere Versorgung mit Konsumgütern wie Seife hatten die Streikenden mehr Autonomie für die Bergwerke verlangt. Der Streik am Samstag war ausgerufen worden, nachdem die Regierung bei Ablauf der Frist noch keine neuen Angebote gemacht hatte.

Unterdessen ging aus einem Bericht der Regierungszeitung 'Iswestija‘ vom Samstag hervor, daß das Streikkomitee mehr und mehr die Macht in Workuta übernommen hat. Das Komitee sei zur einflußreichsten Kraft in der Stadt geworden und habe in vielem schon die offiziellen örtlichen Organe abgelöst. In den letzten Wochen war die Weigerung der Streikkomitees, sich nach der Wiederaufnahme der Arbeit aufzulösen, als Indiz für die bevorstehende Gründung unabhängiger Gewerkschaften bewertet worden. Dies versucht Gorbatschow durch eine personelle Erneuerung der bestehenden Gewerkschaften zu verhindern.

Daß der Konflikt mit den Bergarbeitern noch nicht ausgestanden ist, glaubt auch der Parteisekretär des westsibirischen Kohlereviers Kusbass, Alexander Melnikow. Laut einem Interview mit der Parteizeitung 'Sowjetskaja Rossija‘ rechnet er mit einer „neuen Welle der Unzufriedenheit“. Melnikow wies darauf hin, daß die ausgehandelte Rechnungsautonomie für die Gruben eine Änderung der gesamten ökonomischen Führungsstruktur voraussetze. Dies sei in der Reform projektiert, werde aber in denkbar schlechter Art und Weise realisiert.

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