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DIE FREIHEIT DER BESCHRÄNKUNG

■ „Schüler der Hochschule der Künste Berlin“ in der Villa Grisebach

Für die 6.Ausstellung der Jürgen-Ponto-Stiftung wurden elf Berliner HdK-Studenten und einer -Studentin ausgewählt, deren Arbeiten zur Zeit in der Galerie Pels-Leusden zu sehen sind. Was bei einem Gang durch die vier Etagen zunächst auffällt, ist die Tendenz zur Beschränkung in der Wahl der Mittel, im Umgang mit Formen, in der Eingrenzung der thematischen Ansätze. Die Arbeiten stammen etwa zu gleichen Teilen aus den Bereichen von Malerei und Plastik. Zwischen beiden Bereichen verläuft jedoch keine klare Trennungslinie, vielmehr gibt es Annäherungen und Durchdringungen.

Gemeinsam ist den Objekten von Hans Hemmert, Cristoph Hildebrand und Michael Klega, daß sie industriell gefertigte Gegenstände und Materialien zum Ausgangspunkt nehmen. Hemmerts Objekte aus Stahl und Lack sind aus Fundstücken zusammengeschweißt, häufig aus Fahrzeugteilen, die manchmal noch das Pathos und die monströse Eleganz des Designs der sechziger Jahre verraten. Wie verballhornte Fetische wirken diese Objekte. Je mehr sie zu Neukonstruktionen werden, desto eigenständiger sind sie und entwickeln im Spannungsverhältnis zwischen Außen- und Innenform eine unerwartete Architektur.

Hildebrand stellt mit Selbstklebefolie auf Spanplatten geometrisch-flächige Wandarbeiten her. Die Oberfläche, teilweise schillernd und verspiegelt, wirkt hermetisch undurchlässig, die Farben sind grell und schwer. Die Bildaufteilung erinnert an Beispiele konkreter Malerei.

Klega benutzt für seine Objekte überwiegend Haushaltsartikel und Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff, fast immer eindeutig identifizierbar: Spülmittelflaschen, Spielzeugfiguren, eine Fußmatte. Diese Gegenstände verändert er durch kleine gezielte Eingriffe und Montagen. Es entstehen semantische Verschiebungen: eine grüne Fußmatte wird als Wandobjekt mühelos zum Rasenstück, eine ebenfalls grüne Schere kommt hinzu. Vermutlich käme diese Arbeit auch ohne Titel aus: „Mitten im 18.Jahrhundert sammelt Rousseau Gräser“.

Thomas Böhmer, Christian Bilger und Georg Zey setzen ihre Arbeiten in Beziehung zum Raum, erweitern Einzelarbeiten zu komplexen Rauminstallationen. Zey schafft Ableitungen und Variationen einer elementaren Eiform, erzielt diese zum Teil durch Materialkombinationen. Dabei ergeben sich Widersprüchlichkeiten, zum Beispiel wenn erst bei genauerem Hinsehen sichtbar wird, daß das dominante Flechtwerk aus Gummistreifen eine tragende Unterkonstruktion aus Stahl benötigt.

Böhmer entwickelt seine Holzplastiken aus figurativen Vorstellungen. Seine größte Arbeit, im Eingangsraum aufgestellt, ist ein Reigen aus mehreren zusammenhängenden Figuren, die sich vom Boden ablösen und eine Art Torsituation beschreiben. Diese Arbeit hält sich offen, sie ist - im Gegensatz zu den übrigen Figurenarbeiten - kaum festgelegt durch ihre figurative Sprache.

In der kinetischen Installation von Bilger, die den Titel „Blind“ trägt, vollführen lange Metallstäbe tastende, klopfende Bewegungen gegen eine milchige Glasscheibe, die einen Kasten abdeckt. Der Kasten liegt auf dem Fußboden, durch die Glasplatte schimmert Elektrik. Die Präzision dieser Erzählung behauptet sich, wenn auch nicht ganz mühelos, gegen den erheblichen technischen Aufwand dieser Installation.

Thomas Emdes Wandobjekte befinden sich im Grenzbereich zwischen Malerei und Plastik. Eine überdimensionale Profilleiste von vier Metern Breite ist das Trägerobjekt für eine Farbbehandlung, die zwischen einer glatten Oberfläche und einer Textur aus unendlich vielen kleinen aufragenden Stalakmiten unterscheidet. Monumental und perfekt, irgendwie geheimnisvoll, schweigsam. Stille und verlangsamte Bewegung evoziert die Malerei von Markus Linnenbrink. Was seine Bilder mit denen von Volker Wevers verbindet, ist ein Interesse an dekorativen Elementen, was bei letzterem allerdings inhaltlich motiviert zu sein scheint, während Linnenbrink Muster als elementare Bausteine seiner Malerei verwendet. Monochrome Flächen, deren Farbbewegung gegen Null geht, verhalten sich zu Bildflächen, auf denen Muster die Wahrnehmung des Betrachters verlangsamen.

Um das Verhältnis von Zeichnung und Malerei geht es bei Mira Wunderer und Klaus Hoefs, unterschiedlich sind jedoch ihre Gewichtungen und Absichten. Hoefs setzt gegenständliche, gezeichnete Partien gegen ungegenständliche Flächen, beläßt beide Teile in ihrer Gegensätzlichkeit. In Anlehnung an mittelalterliche Vorbilder sucht er nach Möglichkeiten der Bilderzählung, verwendet dabei auch illustrative Passagen.

Wunderer integriert die Zeichnung, die immer auch als farbliches Ereignis eingesetzt wird, in ihre offene, mit Verdichtungen und Aussparungen arbeitende Malerei. Zeichnung und Malerei arbeiten miteinander, ermöglichen sich gegenseitig. Das Bild wird zum Ort einer Einschreibungsarbeit, der nichts Anstrengendes anhaftet.

Konfrontation und Parallelität beherrschen wie Leitmotive die zweiteiligen Wandinstallationen von Martin Pfahler. Zunächst fällt der antagonistische Gegensatz von freier Pinselzeichnung und strengen geometrischen Formen auf. Auf den zweiten Blick ergeben sich gegensätzliche Raumformen, gegensätzliche Raumbildungen, merkwürdige Überlagerungen und farbliche Bezüge, bewußt hergestellte Zweideutigkeiten. Die Bilder verstricken den Betrachter in Irritationen, die nicht auflösbar sind. Sie ziehen den Betrachter an und halten ihn zugleich fern, als ob sie sich nicht in die Karten sehen lassen wollten.

Bleibt noch zu erwähnen, daß die Förderpreise an Hans Hemmert, an Mira Wunderer und Michael Klega verliehen und daß Thomas Emde als Kandidat für das Frankfurter Allgemeine Atelierstipendium vorgeschlagen wurde.

Hansjörg Schneider

„Schüler der Hochschule der Künste Berlin“ in der Villa Grisebach noch bis zum 2.September, der Katalog kostet 10 DM.

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