: „Regentropfen verdunsten in der Luft“
■ Größte Hitze seit drei Jahren: 34Grad im Schatten / „Wüstenklima“ in der Innenstadt sorgt für noch höhere Temperaturen / Sind Dahlemer Wetterdaten überhaupt repräsentativ für Berlin? / Innenstadt nachts um zehn Grad wärmer als in Vororten
Was den Berlinern gestern zu schaffen machte, das war die schlimmste Hitze seit drei Jahren. 34,2Grad zeigte das Thermometer der FU-Meteorologen in Dahlem am Nachmittag an. Wärmer als gestern war es zuletzt am 4.August 1986. Den Hitzerekord hatten die FU-Meteorologen (ihre Prognose: 30Grad) angeblich vorausgeahnt, dies aber lieber verschwiegen. Kreislaufkollapse wären sonst „noch häufiger“ passiert, erklärte der FU-Meteorologe Paul Schlaak gestern. Die subtropische Luft, die von Süden heranwehte, bescherte der Stadt gestern das achte Mal in diesem Jahr einen sogenannten „heißen Tag“, an dem die Temperatur 30Grad oder mehr erreichte. „Angenehme“ Temperaturen um 25Grad und Gewitterneigung verheißen die Meteorologen dagegen für heute.
Gewitter und Schauer sagen die FU-Meteorologen allerdings schon seit Tagen voraus, ohne daß sich die Regenwolken darum gekümmert hätten. „Die Tröpfchen verdunsten schon in der Luft“, vermutet Klaus Piela von der Baumschutzgemeinschaft, der die FU-Meteorologen seit Jahren kritisch beäugt. Piela spricht von einem „Wüstenklima“, das in der Innenstadt herrsche: Nicht nur Autos heizen die Großstadt im Sommer zusätzlich auf, sondern auch Asphaltflächen und Steinwände, die die Hitze speichern - statt Grünflächen, die für Abkühlung sorgen. Daß das Wetter „für Berlin“ im grünen Vorort Dahlem gemessen und prognostiziert wird, ist für den Baumschützer Piela ein Anachronismus. „Über den Pflaster sind es bis zu 60Grad“, weiß Piela, der um seine verdurstenden Schützlinge, die Straßenbäume fürchtet. Auf sieben bis acht Grad schätzt Piela den Unterschied zwischen Innenstadt und Dahlem.
„Das ist keine Verfälschung“, weist FU-Meteorologe Schlaak die Kritik zurück. „Jedes Kind“ wisse schließlich, daß über einer asphaltierten Straße die Hitze größer sei als über dem Rasen, über dem gemäß internationalem Standard in Dahlem die Temperatur ermittelt wird. Schlaak setzt den Temperaturunterschied jedoch viel niedriger an: Zwischen City und Dahlem betrage er im Sommer höchstens ein Grad. Um zwei weitere Striche steige die Hitze zwei Meter über dem Asphalt, schätzt Schlaak. Nachts dagegen, das räumt der Meteorologe ein, sei es im Sommer in der City oft zehn Grad wärmer. Dann geben die steinernen Wände nämlich die Hitze ab, die sie tagsüber gespeichert haben, während das Grün in den Außenbezirken für Abkühlung sorgt. Daß das Berliner „Wüstenklima“ Gewitter verhindert, das hält Schlaak für Unsinn. Daß es in der Innenstadt weniger Niederschläge gibt, als in Dahlem, erklärt Schlaak damit, daß die Wolken in der Regel schon an den Havelhöhen im Westen abregnen.
Uff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen