piwik no script img

Ablaß für billige 15O Mark

■ Firmen versuchen immer häufiger das Freikaufen von der Schwerbehindertenquote

Die Arbeits- und Sozialminister beschlossen vor wenigen Wochen in Bremen, die Bundesregierung zur Erhöhung der monatlichen Ausgleichsabgaben für Schwerbehinderte von bisher 150 auf 400 Mark aufzufordern. Davon verspricht sich der Bremer Arbeits-Senator eine Verbesserung der Situation von Schwerbehinderten auf dem Arbeitsmarkt, die sich angesichts zunehmender Arbeitslosigkeit permanent verschlechtert. Entgegenwirken will er damit der Entwicklung, daß viele Betriebe die Zahlung einer Ausgleichsabgabe der Einstellung von Schwerbehinderten vorziehen.

Nach dem Gesetz sind Betriebe und Verwaltungen mit mehr als 16 Beschäftigten dazu verpflichtet, 6 Prozent der freien Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen. Die tatsächlich erreichte Quote liegt auf dem Bremer Arbeitsmarkt jedoch bei nur 3,8 Prozent in den privaten Betrieben.

Als „nicht realistisch“ be

zeichnet dagegen der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Horst Frehe, diese Initiative des Arbeits-Senators. Die Erhöhung der Ausgleichsleistung auf 400 Mark hält Frehe für „lächerlich“ und fordert stattdessen die Angleichung an ein Durchschittsmonatsgehalt von 3.000 Mark.

„Generell entbindet die Zahlung einer Ausgleichsabgabe die Betriebe nach dem Gesetz ohnehin nicht von ihrer Pflicht, Behinderte einzustellen. Die Betriebe, die sich auf solche Weise freikaufen, handeln also gesetzeswidrig. Doch das wird vom Senator für Arbeit so hingenommen. Eigentlich müßte er ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen sie einleiten“, fordert Frehe. Solch ein Verfahren sei zusammen mit einer Ausgleichsabgabe in Höhe eines Monatslohns die einzig wirksame Möglichkeit, Betriebe zur Einstellung Schwerbehinderter zu bringen. Seiner Ansicht nach lassen viele Betriebe freie Arbeitsplätze lieber unbesetzt, als

daß sie Behinderte einstellen: Meist befürchteten die Betriebe bei Behinderten höhere Krankheitszeiten und Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Kündigungen, betont Frehe.

Tatsächlich nahm die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten nach einer vom Senator für Arbeit veröffentlichten Studie in Bremen von 1984-87 um 17 Prozent ab. Damit liegt der Rückgang in Bremen doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt mit 8 Prozent. Konkret bedeutet dies, daß die Zahl der beschäftigten Schwerbehinderten von 10.704 im Jahr 1984 auf 8.853 im Jahr 1987 gesunken ist. Diese besonders starke Abnahme korrespondiert mit dem in Bremen besonders hohen Anteil von über 45jährigen unter den schwerbehinderten Arbeitslosen. Neben ihrer gesundheitlichen Einschränkung mache sie ihr Alter für die Arbeitsämter besonders schwer vermittelbar. Die meisten sind länger als ein Jahr arbeitslos. G.T.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen