: ArAl
■ Gespräche in der Küche
Libuse Monikova 1.
Arno S., groß, hager, schnuppert blind in der Wohnküche der Familie Alice und Arno (1 Katze) in ...Str. Nr....
A: „Wass'nn los? Es riecht hier, ich will nich hoffen... nach Knoblauch?!“
Li: schuldbewußt, trocknet sich die Hände an der Schürze ab: „Nur ein ganz wenig, eine Zeh...“
A: „Was? Eine ganze?! Weib?! Willst du mich vorzeitig los werden?“ (beherrscht sich): „Gedulde dich, meine taubengraue Schwester, mein schöne Falkin, ich bin auch so schon nur ein Skelett...? ...!“ (ein 'KG‘ ('kürzeres Gedankenspiel‘) in Richtung Schwarze Spiegel; nachdem er sich im Geiste an der Begegnung mit dem toten Schriftsteller ausgetobt hat, wieder milder): „Sag es gleich! Du kannst es billiger haben. Vor allem geruchloser!“ (säufzt): „Typisch, auch die klügsten, begnadetsten von euch, die SCHRIFTSTELLERFRAUEN machen ihre Fehler, müssen eben ihre kleinen... Defizite irgendwo ausgleichen, und was eignet sich dafür besser als die Nervenbündel des von Arbeit übermüdeten, erschöpften Gatten...“
Alice wirft schmeichlerisch ein: „Bei mir sind es schon 'Synapsen‘.“
Arno (fährt fort): “...der sich nicht wehren kann! 'Was der Frau schmeckt, davon bekommt der Mann häufich zu essn! (somnambuhl): Gieb deiner Ga/öttin grundsätzlich recht; Sie mag sag'n was Sie will; denk wenich; und rede nochwenijer. Kümmer Dich nich um Gut noch Bös‘ noch Wahr noch Falsch: friß, was Se Dir vorsetzt; und halt Dein Maul - ...'“
Alice: „Es war nur...“
Arno (nimmt die Witterung wieder auf, eifriger, greisenhaft): „'Es gab, zu Meiner Zeit, mehr als genügnd Weiber : die 'verfielen‘ jeglich'm stinkijn Türkn und Bull'garen, der nach Knoblauich möffte, & das Deutsche so entzükkndradebrechte!; daß man nur das 'fickfick!‘ verstand. : Mir ist nie 1 Frau begegnet, die zu unterScheidn gewußt hätte, zwischen einem wiener Frisör, und einem GroßGenius; (bzw: wenn Sie's gewußt hätte, hätt‘ Sie den Frisör vorgezogn !'“
Li, niedergeschmettert ob so viel LiterarischBündigem, starrt zu Boden.
Arno (zieht eine grimasse): „Und 'schreibende Frauen‘? Brr! Damit hast du mich immerhin verschont, und das danke ich dir.“ (besinnt sich wieder): „Aber daß du mit auf diese Weise in den Rücken fällst?!“
Li: „Es war nur eine ganz kleine Zeh, beruhige dich...“, sie murmelt auch schnell etwas von Genie und Großer Geist sollte nicht wegen Läppischkeiten, die natürlich auch nie wieder..., so daß Arno, endlich versöhnter, noch unter den anderen Deckel schaut: „Rindfleisch, du verwöhnst mich. Hoffentlich aus der EVST-Dose!“
Li: „Nein, vom Metzger“ (sie strahlt).
A: „Was?“
Li: „War'n ja nur Flexn, ein Gulasch wirds, wie bei uns in... (Schlesien), hat auch nicht mehr gekostet als die Büchse.“
„Büchse...“, Arno scheint sich zu beruhigen, (sie kommt ja auch des öfteren, ausgerechnet mitten im Schreiben, daß er ihr die Büchse öffnet; - wozu hat man denn geheiratet?) er sieht sich ihre Oberweite nicht ohne Wohlgefallen an. (8 1/2?)
Sie trägt auf, er tätschelt an ihr, halbvergessen, notiert auch schnell etwas, murmelt faul, ...'nen K(n)opf abreißen...?
Bafomet schnurrt sich heran.
„Un'du kriegst auch deine Flexe“, Bafomet schmeichelt sich um ihre/seine Beine, heut scheint 'er‘ freigiebiger zu sein; sie traut sich nicht, es könnte schon allzu verschwenderisch aussehen, außerdem will sie ihm (A.) das götterhafte Gefühl der Güte und Generosität nicht nehmen.
Arno läßt sich Zeit, man muß es der Familie immer wieder zeigen, aber irgendwann wird's ihm zu viel, die Blicke der Katze und die heimliche Gnade seiner Frau, die die Strenge nicht durchgehalten hat und eine Flechse „aus Versehen“ neben dem Tischbein verlor. Bafomet zieht sich mit seiner Eroberung unter den Stuhl und kaut schwer an dem Leder.
Auch Arno hat Mühe, sucht blind im Teller nach einem besonders zähen Stück und läßt jetzt seine Gottähnlichkeit durch das FallenLassen eines Knorpels deutlich erkennen. Plump! Die Katze springt heran, wohl dressiert, daß die Stücke vom 'Herrn‘ noch mehr wert sind, hebt den Schweif auch pflichtbewußt, und sieht den Dichter ergeben durchtrieben/bewundernd an, (abgeguckt vom Frauchen), während sie an dem unergiebigen Brocken würgt. Alice macht heftig mit. Arno lächelt, er ist so voll von sich, daß er ganz leer ist.
Brille abnehmen? Oder noch eine Weile die Familie besorgt, wohlwollend, streng mustern? (die Wahrheit wird, wie immer, in der Mitte liegen): alsoohne Brille die Familie streng väterlich mustern.
Nach dem Essen spült Ali ab, Arno liest? (Jetzt? Zu dieser Zeit?) Sollte nich exzerpiert werden? Aber das macht Ali. Und das Abschreiben auch, und die Reparatur des Rads, für morgen. Arno liest? Z.b. Zeitungen? Er ist seine Zeit anderen Sachen schuldig!
Er sieht sich das Fernsehprogramm an.
Eiskunstläuferinnen, in ihren Röckchen, mit Hinterchen und Beinchen, ajaj, wie sie hübsch springen, die Schiedsrichter gucken auch gerne hin, und benoten dann, nach der Weite des Sprungs... Nach der Drehung? Ach so, ich dachte... Aber du siehst doch selbst, für wen so 'ne Veranstaltung ist! Für alte Böcke und vom Ehrgeiz zerfressene Muttis. Von den ihren Töchterchin is doch keine mehr... Erst vierzehn? Was heißt hier 'erst‘!... Jaja, du kriegst auch noch was, er greift blind/generös in die Soße auf dem Herd und läßt ein aufgeweichtes Brotstück fallen. Küßt auch seine Finger auf eine solche Tante-Heete-Art, daß Ali im doppelten Sinne neidisch/eifersüchtig wird. -? (sie ist weder so alt/imposant wie TH, noch so jung wie die Kinder auf dem Eis); dann aber: sich wieder aufraffen - zur nächsten Runde des begnadeten Daseins: als Schriftstellergattin.
Al: „Möchtest du vielleicht...“
Ar: gerade von einem (konkaven) 'Mond‘ auf dem Eis abgelenkt: „'Vielleicht‘ was?“ (Die Abläufe sollten schon genügend eingefahren sein.)
Al. stellt ein Glas vor ihn und dreht am Radio: „Morgen würde ich gern...“
Ar: „Exzerpiert ist schon alles?“
Al: „Fast.“
Ar. sieht sie an: „Was heißnn hier 'fast‘? Dein Wort sei ja ja, nein, nein, wie es schon in dem Hache aus altn jüdischn WehrmachtsBerichtn steht (grinst), oder - wie ich neulich irgendwo...“
Ali lächelt eifrig mit: (Arno und 'irgendwo‘!, der weiß doch alles genau!) „Soll ich dir deine Zettel holen?“
Arno (beendet): “...Null Null, Eins Eins. Ja (er zuckt mit den Schultern), digi/geni/tal ist schon allis. LO LO“ (er trinkt, mit Blick auf ihre Bluse)
(Die Sportretrospektive, „Unsere Erfolge“ - DDR/TV geht zu ende, es folgt „Der schwarze Kanal“): „Heute wollen wir nicht, Rüchel...“, er schaltet den Apparat ab.
As time goes by... ertönt aus dem Radio.
„Diese 'evergreens‘, das ewig welke Gemüse, stells ab! Wieviel Prozent nimmt denn das 'gesprochene Wort‘ im Hörfunk ein? Wenn etwas gesendet werden müßte, dann Nachtprogramme über LITERATUR! Frenssen, Däubler, Gutzkow, Hackländer! Und nicht ständig irgendwelche Krampfhennen wie die 'Beatles‘!“
Alices Einwand, das wären sie gerade nicht, erstickt unter seinem Blick.
Ar: (ruhiger): „Was wolltest du morgen?“
Al: „Schwimmen gehen, (sie lächelt unsicher): Kommst du mit?“
Ar: „Zu laut, zu voll. Wir haben zu tun.“ (er sieht sie an): „Wenn du unbedingt gehen willst...“
Al: „Es muß nicht sein. Vielleicht wird's regnen. Ich wollte nur die Nachrichten...“
„Das werden wir gleich haben“, er läßt sich das Barometer reichen, Brille wieder auf: „Hm, Tendenz fallend... Also wenn du mußt, für eine Stunde kann ich dich entbehren.
Kannst du die Rede?
Natürlich, jedes Wort: - ist doch von dir! Du hast es ihnen wieder einmal gesagt: 40-Stunden-Woche! Lächerlich!
Er richtet sich auf. „Mein Nacken..., heute hab ich nicht viel geschafft.“
Sie lächelt ihn aufmunternd an: „Eine Seite von Arno Schmidt ist mehr wert als...“
Er winkt müde ab, er kennt es schon, es hat keinen Sinn, die Namen können noch so variieren, unter den Lebenden lockt ihn keiner hinterm Ofen hervor.
„Dann wollen wir mal, hoffentlich wird's morgen besser“, er steht auf und faßt ihre linke Brust, während sie noch am Herd hantiert. „Komm, du.“
Und anders als im „Faun“ kommt 'sie‘. (Wo hat er bloß seine negativen Vorbilder her?)
-Nacht. 2.
Morgen.
Bafomet macht auf sich aufmerksam, läuft Alice mit hochgehobenem Schwanz nach und will sein Frühstück.
Arno sitzt bereits an seinem Zettelkasten, neben ihm mehrere aufgeschlagene Bücher. Sie kocht Kaffee, gießt von der warmen Milch ins Schüsselchen der Katze ab (fällt dabei fast über sie), kommt leise heran und erkundigt sich: „Darf ich schon...?„;
der Kaffee darf schon.
...
Ar (klatscht ein Buch auf den Tisch): „Diese Tratschnudel! Na, 'deine‘ Varnhagen! Ob sie, ob 'Sophie von la Roche‘, all diese SpätUnvollendeten; Schreibmde Weiber...!
Wenn überhaupt, dann nur Kinder - die Schwestern Bronte, bevor sie noch zu 'Weibern‘ herangewachsen waren... (was heißt hier auch 'Weibern‘, und 'gewachsen‘?: verwachsen, und ungesung, von der zartesten Kindheit an, giftig/modrigen Leichenwassers voll - hatten nur ihre Welten und LGs!“
Ali: „Und in Deutschland?“
Ar: „Da wüßte ich wirklich nicht... A ja, doch! Das 'Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens‘ - ein Taschenbuch davon wäre überfällig!“
Alice (unsicher): „Das ist aber sehr fraglich, dieses weiblich/kindliche Elaborat.“
Arno hebt überrascht den Kopf: ...?
Ali kommt in Fahrt: „So angestrengt altklug und plapperig/kindlich, daß es wiederum schon nur von einer abgebrühten Alt-Elevin des Großmeisters stammen kann, den du selbst so... (vor sich hin: daher auch so viele deiner...)“
Arno: „Zisch vernehmlicher, Schlange!“, (dann, mit Würde): „Auch ER (SF! - nicht Suomi Finnland, sondern ein Wiener aus Mähren, genauer aus Pribor - deutsch 'Freiberg‘), hat dazu ein anerkennendes Wort...!“
Ali schnieft, mit hochgewölbter Brust: „Was weiß der schon, mit seinem eweigen Penisneid!“ (in Rage): „Wenn mich mein bißchen 'Frauenverstand‘ nicht täuscht, - es ist so altklug und scheiß/scheinheilig, mit allen den gefundenen 'unbewußten‘ Symbolen - ob Zahlen, ob Wörter - so brav nebeneinander gereiht, wie in einem Lehrbuch - die Klischees nur abhaken! Es stimmt einfach nicht!“
Arno sieht sie schweigend an, nachdenklich: „Das wäre interessant. Es ist schon lange her... (murmelt): Vom 'PenisNeid‘ hat Er viel zu sagn gewußt. Nichts aber... vom BusenNeid!“, besinnt sich wieder auf sein Lieblingsthema: „Na, dann haben wir nicht einmal die eine. Ja, 'Schreibende Frauen‘! Die mit ihrer Affektiertheit, ihren redlich arbeitenden Männern unschwer auf den Nerv gehen. - Sieh dir die trauri/komischen Beispiele in der Geschichte an!“
Al nimmt das Buch in die Hand.
Arno: „Aber auch die 'nur‘ Gattinnen machten keine halben Sachen: nimm Carlyle, nimm Dürer - der von seiner 'Agnes‘ langsam zu Tode gepiesackt wurde! Am ärgsten dürfte es das Weib vom Bulwer getrieben haben, eine gewisse Rosina Wheeler!“ (er sieht Al forschend an). „Erst hetzt sie bei seinen Wahlreden öffentlich gegen ihn, die Kinder dabei als Waffe...!“
Ali (verächtlich): „Ein Politiker? Sagtest du nicht auch...“
Ar: „Sicher! Wegen eines Politikers fass‘ ich mir nich an den Hintern. Aber das hier war ein SCHRIFTSTELLER! Nicht wie Churchill, - deswegen sprechen wir überhaupt von ihm. Und das Weib, diese Wheeler, machte ihm erst die Hölle heiß, und dann, nach der Scheidung, schriebelte sie sogar selbst! 'Büchlein after Büchlein‘, gemäß dem Lesbierinnen-Prinzip von der 'Unvollendeten Rache‘! Und verhinderte dann noch 'aus dem Grab‘ das Erscheinen seiner Biographie, die auf sechs Bände angelegt war!“
Al: „Sechs Bände? Ist das nicht ein bißchen...? Hat der Mann so viel erlebt?“
Ar: „Allein die Anpöbeleien seiner Frau hätten ein mehrbändiges Lexicon füllen können!“ (wieder versöhnlicher): „Ja, du kannst sicher sein: ich weiß, was ich an dir habe!“ (Er streichelt ihre Hüfte, so daß sie ihm den Teller mit dem Butterkuchen zuschiebt: eine Pause wird er sich wohl gönnen?)
Ar: „Ne du, jetzt nicht, ich muß weiter...“, er neigt sich wieder über seine Zettel.
Es klopft an die Tür (zwanzig Jahre früher; und manchmal auch nicht)
Ar sieht blind auf: „Wass'nn für n Lärm?“
Al: „Das wird die Alte sein, wegen ihrer Möbel. Sie will wieder Geld.“
Arno: „Soll sie warten. Schmeiß sie raus. Ich brauche Ruhe.“
Ali ab (draußen erhöhte Stimmen -)
Arno nimmt die Brille ab, ('Und lass‘ die Welt an mir vorüberrauschen - ein Strom von Zeichen...‘); murmelt: „Lasswitz: Auf zwei Planeten... Däubler: Nordlicht schön.“
(draußen: - nicht noch einmal...! ...binnen...!)
(...bitte...!)
(...Geschirr, Federbetten, Möbel!...)
Arno lehnt sich zurück, starrt ins Leere: „Nur wenig frommt's, daß ich, ein müß'ger Fürst, am stillen Heerd hier, an dem kargen Strand, bejahrtem Weib gesellt, dem rohen Pack ein viel zu gutes Recht mit Würde sprech: Das scharrt & schläft & frißt - und kennt mich nicht!“
(...verstehen Sie...)
'Was für Sorgen ich mir mache: ich kümm're mich ums Personal als wären's meine Kinder! Und alle sollen glücklich sein auf ihre Weise...‘
(...sämtliche Möbel!...)
...Arno: „Möbel? ...Möbel in der LITERATUR? Poe natürlich. 'The Philosophy of Furniture‘ ...fur...“, er schmunzelt, greift in seiner Sternenblindheit nach der Bibel (braucht er wegen einer neuen „Lästerung“) - „ach, die Scharteke wieder...
Wahrlich, wahrlich ich sage euch...
-'nen Duktus hat das Ding machmal...
Ja, wenn die illustresten Geister ihrer Epoche Zeit und Kräfte nicht scheuten
tcha...
-Die Nachtwachen des Bonaventura, der Anfang hat Schwung und Gefälle. Ein Nachtprogramm? Für das letzte schulden sie mir noch Geld.
-Ci pensiamo in secoli...? Aber essen müssen wir auch!
-Arbeiten müßten die Mönche, Pfaffen, Kardinäle und was es sonst an fettem Klerus von Schmarotzern noch giebt diverse Nixnutze, selfish, abhorrent, and impudenzenfoll, that's a rabble... devoutly to be wixed off!
Na, Lili? (gut aufgelegt, da der Lärm draußen vorüber ist).
Al mit gehetztem Ausdruck, zwingt sich zur Ruhe: „Die Alte will weiter klagen, ich habe ihr gesagt, daß wir in ein paar Tagen...“
Ar: „Hast du ihr etwa irgendwelche Versprechungen...? In meinem Namen auch...? Was soll ich denn noch tun?
Nächstens mal die Tür zuknallen vor ihrem Gesäß/Gesicht, beides gierig, runzlig, stinkig! Diese erfolgreiche Witwe, als genügte's nicht, daß sie ihren, Cujon unter die Erde gebracht hat!“
(Pochen durch die Wand)
Ali (matt): „Schrei nicht so.“
Ar (immer lauter): „Die kriegt keinen Pfennig!“
Al (erschöpft): „Sie wollen uns das Rad pfänden“, sie reicht ihm ein Schreiben.
Ar. „WAS?!“ ...er stiert ungläubig auf den Wisch, springt auf und versetzt der Tür einen Tritt, daß das Haus erzittert; (mit schmerzverzerrtem Gesicht): „Ich habe gerade ein Sechstel der normalen Sehschärfe, und durch ihren Krieg bin ich am Knie behindert, so daß ich manchmal Mühe habe - zu stehen!
Und sie wollen uns das einzige Fortbewegungsmittel, das ich zu meinen LITERARISCHEN und historischen Arbeiten benötige... wegnehmen?!
(er zwingt sich zur Ruhe): Die Greisin hat drei große und vier kleine Räume. Wir haben einen. Sie in ihren Zimmern hat keinen Platz mehr für den angehäuften Plunder, und stellt ihn bei uns unter, wo wir uns auch sonst kaum umdrehen können. Mit Flüchtlingen macht man das so!
Und für das Gelumpe, das wir für sie lüften, sollen wir auch noch zahlen! Und da wir sonst nichts haben, außer Büchern, die ja kein vernünftiger Mensch braucht, nehmen sie uns das Fahrrad! Der windige Winkeladvokat wird mit dieser Einstellung noch Karriere machen; am besten geht er in die Politik!
(müde): Ich bin so ziemlich 40 Jahre alt, und habe nichts! (Nur meinen unerschütterlichen (?!) Glauben an die LITERATUR!) Mein Weib geht schon das sechste Jahr im gleichen Rock, und unsere Katze frißt sich auf Pump in der Umgebung durch, - auch das soziale Kosten! Und sie wagen es, mir zu sagen, ich soll mir einen anständigen Beruf suchen...?!“
...
Er sitzt reglos da.
Sie steht auf, berührt seinen verspannten Nacken.
Al: „Es ist auch das einzig Sinnvolle, weißt du?“
Schmidt, versunken, kommt mühsam aus den Schlieren seiner Textbrunnen hoch, lächelt flüchtig, kurzsichtig retardiert: „Komm! Du wirst in guter Gesellschaft sein. (er zeigt auf die Bücher) Siehst Du: Nur wir beide --
besinnt sich wieder (alt/erschöpft): Und 'Nachmittag Schwimmschule‘ lassen wir aus, ja? :
-Es giebt zu schreiben.
Draußen, unter dem zunehmenden Mond (blöd & zart & auf & ab) ein Reigen von Katzen aus der Umgebung: Urenkelinnen und Urenkel der von Alice gefütterten; sie stimmen einen Lobgesang auf die A.S.-Stiftung an.
Im Keller, in Regalen, stehen noch eingemachte Schwajohim und Sauki von '68 - die Schwarzen Johannisbeeren und die Kirschen der Freiheit. Pfingsten '8
Als Libuse Monikova ihren Text auf einer Arno Schmidt-Tagung vortrug, kam es dort zu einen Eklat. Wir drucken den Text hier mit freundlicher Genehmigung von 'Rowohlts Literaturmagazin‘, in dessen Herbst-'89-Ausgabe er erscheinen wird.
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