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Orkanartige Stürme über der Ostsee

Unwetterkatastrophe richtet in Schleswig-Holstein schwere Schäden an / Deiche brachen, Schulen blieben geschlossen, Straßen und Brücken wurden gesperrt  ■  Aus Kiel Jürgen Oetting

Für die meisten schleswig-holsteinischen SchülerInnen war es ein Vergnügen, für die MitarbeiterInnen der Ordnungsbehörden und Rettungsdienste wohl kaum: Gestern, am ersten Tag nach den Sommerferien, fiel im ganzen Land die Schule aus. In der Nacht vom Sonntag auf Montag sorgten orkanartige Stürme (Windstärken neun bis zwölf) für ein landesweites Verkehrschaos und Schäden in Millionenhöhe. In den frühen Morgenstunden wurde gestern in Kiel, Lübeck sowie den Landkreisen Eutin und Plön Katastrophenalarm ausgelöst. Im Kreis Plön galt darüber hinaus bis acht Uhr früh ein allgemeines Fahrverbot. Dieser Landkreis war vom Sturm am stärksten betroffen, ein Deich brach und Sportschiffer gerieten durch losgerissene und manövrierunfähige Boote in Gefahr.

Das baltische Meer entfachte eine Sturmflut mit Wellen von einer Höhe bis zu sechs Metern. In den Orten Marina Wentorf, Hohenfelde und Hohwacht (alle Kreis Plön) brachen die bescheidenen Ostseedeiche. Ein Altersheim und einzelne Bauernhöfe wurden evakuiert. In den Kurorten der Lübecker Bucht - wo Deiche fehlen und der Strand direkt in die Kurpromenade übergeht - überflutete das Meer fast das gesamte Straßennetz.

In Flensburg, Kiel und Lübeck standen die hafennahen Straßenzüge noch bis gestern mittag unter Wasser. Die „Kieler Verkehrs AG“ stellte die Personenbeförderung auf den Förderschiffen ein, weil in den Gewässern vor dem Seglermekka etliche herrenlose Boote herumtrieben, die sich losgerissen hatten. Im heftigen Sturm ist auch die dänische Autofähre „Kraka“ auf Grund gelaufen. Das Schiff mit fünfzig Passagieren wurde im Hafen von Knudshoved vom Sturm auf eine Sandbank getrieben. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Viele Autobahnteilstücke und Bundesstraßen waren noch gestern mittag gesperrt, in Küstennähe wegen Überflutung, im Binnenland wegen umgestürzter Bäume. Darum wurde auch die Eisenbahnstrecke von Neumüster nach Heide gesperrt. Die sturmerprobten BewohnerInnen der schleswig-holsteinischen Westküste hatten dagegen einen ruhigen Tag, die Nordsee hatte sich weit nach Westen verdrückt. Der „blanke Hans“ kam diesmal aus ungewohnter Richtung.

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