: Tödlicher Reichtum
Arme Leute leben länger, meint Maggie Thatcher ■ Aus London Ralf Sotscheck
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Während Bergungsmannschaften noch immer nach fünf der 55 Opfer des Bootsunglücks auf der Themse vor zwei Wochen suchen, konnte eine Überlebende dem 'Independent‘ zumindest erklären, warum die Leiche des Gastgebers Antonio de Vasconcellos noch nicht gefunden worden ist. Magda Allini schrieb, Vasconcellos würde es niemals zulassen, daß seine Leiche gefunden wird, bevor nicht auch der letzte Gast seiner Geburtstagsparty aus dem Wasser gefischt worden ist. Er sei nämlich immer „ein perfekter Gentleman“ gewesen.
Zwar ist die öffentliche Untersuchung über die Ursache des Bootszusammenstoßes noch nicht abgeschlossen, doch die britische Premierministerin Margaret Thatcher macht sich ihre eigenen Gedanken. Schließlich ist diese Katastrophe auf der Themse kein Einzelfall. Die Liste der britischen Schiffs -, Flugzeug- und Bahnkatastrophen sowie die ständigen Unglücksfälle auf britischen Straßen ist lang. Die Analyse der Premierministerin trifft da den Kern des Problems: „Wahrscheinlich ist der Lebensstandard jetzt viel höher und die Leute sind einfach viel mehr unterwegs als früher.“ Genau! Wer kein Geld für ein Flugticket hat, kann auch nicht über Lockerbie abstürzen. Und hätte der Geschäftsmann Vasconcellos sich keinen Vergnügungsdampfer leisten können, hätte er zu Hause feiern müssen, und niemand wäre ertrunken. Anstatt jedoch die Steuern so drastisch zu erhöhen, daß den BritInnen die Reiselust vergeht, hat Transportminister Parkinson lediglich neue Sicherheitsmaßnahmen verkündet. Schiffe auf der Themse müssen ab heute hell erleuchtet sein und ständig einen Wachtposten auf Deck haben. Der „Marchioness“ hatte das allerdings nichts genützt: Sie war illuminiert wie ein Weihnachtsbaum und hatte 80 Partygäste auf Deck.
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