: Behörde läßt Blumenkübel abräumen
■ Anwohner sollen bewährte Verkehrsberuhigung im Kamphofer Damm wieder entfernen - auf eigene Kosten
Im Prinzip ist der Bremer Senat für Tempo 30 in Wohngebieten. Doch seine untergeordneten Behörden arbeiten zuweilen am Gegenteil. Eine Anwohnerinitiative im Kamphofer Damm in Woltmershausen wurde ultimativ aufgefordert, eine Verkehrsberuhigung mit Blumenkübeln, die sich jahrelang gut bewährt hat, wieder abzubauen.
1983 waren in der Wohnstraße kurz nacheinander zwei Kinder unters Auto gekommen und gestorben. Die breite Straße zwischen den Sozialwohnungsblocks galt unter den Anwohnern als Rennstrecke, trotzdem spielten dort viele Kinder, denn ein Spielplatz fehlt in der Nähe. Nach den beiden Todesfällen sammelte eine Initiative 176 Unterschriften, bekam vom Amt für Straßenbau allerdings nur die Auskunft, daß für Verkehrsberuhigung kein Geld vorhanden sei. Als kurz darauf noch ein Unfall passierte, platzte den Anliegern der Kragen. Sie besetzten die Straße, sammelten unter sich und bei der „Bild„-Zeitung Geld und besorgten auf eigene Faust acht große Blumenkübel.
Seitdem kurven die Autos im Kamphofer Damm tatsächlich nur noch mit 30 km/h um die Hindernisse, ein Unfall passierte in den vergangenen sechs Jahren nicht mehr. Allerdings hatte das Amt für Straßenbau die Verkehrsberuhigung nur auf eigenes Risiko der Initiative genehmigt. Drei Anwohner mußten persönlich unterschreiben, daß sie die
Blumenkübel „stets in ordnungsgemäßem Zustand erhalten“ und die Haftung für Ansprüche Dritter übernehmen. Wenn ein Auto nachts einen Kübel geschrammt hatte, klingelte schon mal um sechs Uhr morgens die Polizei bei einem der drei Initiativler und bestand auf sofortiger Säuberung der Straße.
Nach fünf Jahren eigener Verantwortung für die Verkehrsberuhigung hielten die drei Initiativler ihre Schuldigkeit für getan und kündigten den Haftungsvertrag in der Hoffnung, das Amt hätte
inzwischen den Sinn der Beruhigung des Kamphofer Damms begriffen. Die Behörden-Antwort ließ über ein Jahr auf sich warten, fiel dafür aber umso deutlicher aus: „Die Pflanzbehälter sind von der Initiative auf ihre Kosten zu entfernen“, teilte das Amt für Straßenbau jetzt mit und verwies auf § 6 des damals vereinbarten Vertrages.
„Wir haben in Bremen hunderte solcher Blumenkübel stehen“, rechtfertig Amtsleiter Horst Bullermann den Bescheid, „das können wir einfach nicht so
zialisieren.“ Schließlich fehle dem Amt nicht nur das Geld für eigene Verkehrsberuhiger, sondern auch das Personal für deren Wartung: „In den letzten vier Jahren haben wir 60 Stellen eingebüßt“, klagt Bullermann. Das Risiko ihrer privaten Haftung für mögliche Unfälle am Kübel hätten die Anwohner ja „durch eine Versicherung klären“ können. Ohne die Pflege der Initiative jedenfalls müßten die Blumenkübel wieder weg. Über eine Verkehrsberuhigung von Amts wegen könne er nichts sagen, so Buller
mann gestern mittag, dafür sei die Verkehrsbehörde im Stadt und Polizeiamt zuständig.
Dessen Leiter Klaus Hinte erfuhr von dem Dilemma am Kamphofer Damm erst von der taz. Zwar sei er nicht zuständig, aber wenn die bewährten Kübel tatsächlich weg müßten, würde er seinem Kollegen Bullermann empfehlen, als Ersatz „da ein paar Gummischwellen hinzuknallen“.
Gesagt, getan. Noch am Freitag nachmittag traf sich Hinte mit Bullermann und der entschied sich angesichts der taz -Neugier plötzlich ganz schnell: Statt der zu entfernenden Blumenkübel sollen am Kamphofer Damm „ein bis zwei Holperschwellen“ neu installiert werden.
Schließlich, so hatte ihm Hinte erklärt, hätten ohne verkehrsberuhigende Hindernisse auch die „Tempo-30„-Schilder wieder entfernt werden müssen. Und was dann passiert wäre, konnte sich der Verkehrsplaner schon lebhaft vorstellen: „Dann wird es da ein Gerödel geben in der Straße.“ Kein Wunder - schließlich wären dann die Kinder wieder in der gleichen Lebensgefahr wie vor sechs Jahren.
Doch von seinem Räumungsbescheid für die schon vorhandenen Raser-Stopper bleibt Bullermann nach wie vor: „Ich habe ja auch keinen Blumenkübel vor meiner Haustür.“ Die liegt allerdings auch an der Euskirchener Straße, einer kleinen Sackgasse am Blockdieker See.
Ase
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