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Schwarzes Südafrika „nicht zu stoppen“

Tausende Schwarze protestierten in Kapstadt gegen Polizeigewalt / de Klerk fordert zum Dialog auf  ■  Aus Kapstadt Hans Brandt

Zehntausende marschierten gestern durch die Straßen von Kapstadt. Sie protestierten gegen die Polizeibrutalität bei der Unterdrückung von Demonstrationen gegen die Parlamentswahlen der letzten Woche. „Frieden in unserer Stadt, stoppt das Töten“ forderte das Transparent an der Spitze des größten Protestzuges in Südafrika seit 30 Jahren. „Was heute begonnen hat, wird niemand je stoppen können“, sagte Pastor Frank Chikane, Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates (SACC) bei der anschließenden Kundgebung.

Schon Stunden vor Beginn der Demonstration war die anglikanische Kathedrale von Kapstadt überfüllt. Nach einem kurzen Gottesdienst drängten sich Tausende durch die Straßen. Uniformierte Polizei war nicht zu sehen, nachdem der amtierende südafrikanische Präsident de Klerk die Demonstration erlaubt hatte.

Neben prominenten Oppositionsvertretern, darunter Erzbischof Tutu und der Generalsekretär der Gewerkschaftsföderation Cosatu, Jay Naidoo, beteiligte sich auch der Bürgermeister von Kapstadt, Gordon Oliver, an dem Marsch. Er wurde bei der Kundgebung als „unser neuer Genosse, der Bürgermeister“ vorgestellt. Die Stadthalle, in der die Kundgebung stattfinden sollte, war viel zu klein. Tausende versammelten sich deshalb unter offenem Himmel auf dem Paradeplatz vor der Halle. Von einem Balkon der Halle sprach Allan Boesak, Vorsitzender des reformierten Weltbundes, vor einer verbotenen Fahne des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) zu der Menschenmenge. Fortsetzung auf Seite 2

Boesak betonte, daß der Marsch ille

gal sei, obwohl de Klerk in diesem Fall beide Augen zugedrückt hatte. „Er sagt, daß friedliche Proteste erlaubt sind. Wo war er die letzten Monate, als wir friedlich demonstriert haben und seine Polizei, seine Hunde und seine Waffen gegen uns eingesetzt wurden?“ Frank Chikane betonte, daß de Klerks Versuche, eine neues Südafrika zu gründen, nur durch Verhandlungen fruchten können. „Aber Sie können sich nicht selbst auswählen, mit wem sie gerne verhandeln möchten“, warnte Chikane. „Sie müssen mit den wahren Führern Südafrikas sprechen.“

Eine Verkäuferin in einer Apotheke verkaufte mir während des Protestmarsches mit zitternden Händen einen Film. „Ich bin so erregt“, stotterte sie. nebenan versuchten Urlauber indessen, einen Schwangerschaftstest zu kaufen. Der Marsch war ihnen nicht wichtig...

Südafrikas amtierender Präsident de Klerk, der am heutigen Donnerstag zum nächsten Präsidenten gewählt werden soll, hatte den Protestmarsch am Dienstag abend überraschend erlaubt. „Die Regierung hat nichts gegen friedliche und ordentliche Proteste, solange die Gesetze des Landes berücksichtigt werden“, sagte de Klerk. Tatsächlich sind jedoch alle Demonstrationen verboten, wenn sie nicht von den Behörden ausdrücklich erlaubt werden. Erzbischof Tutu hatte sich noch am Dienstag in einem Telefongespräch mit dem Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, geweigert, die Behörden um Erlaubnis für den Marsch zu bitten.

De Klerk betonte vor der Presse, daß er entschlossen sei, Reformen durchzuführen. „Jetzt ist nicht die Zeit, die Differenzen in unserer Gesellschaft zu verschärfen“, sagte er.

„Jetzt ist die Zeit, Gemeinsamkeiten zu finden und mit friedlichem Dialog zu beginnen.“ „Die Tür zu einem neuen Südafrika steht offen“, sagte er. „Es gibt keinen Grund, sie zu stürmen.“

Die Demonstranten protestierten gegen die Polizeibrutalität bei der Unterdrückung von Protesten gegen die Parlamentswahlen, von denen Schwarze ausgeschlossen waren. Nach Angaben von oppositionellen Rechtsanwälten sind bei den Protesten 29 Menschen durch Polizeikugeln ums Leben gekommen. Der Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, hat diese Zahl bestritten. Doch am Montag kündigte Vlok eine interne Polizeiuntersuchung der Vorwürfe gegen die „Anti -Aufruhr-Einheiten“ der Polizei an. Die Vorwürfe der unangemessenen Gewalt waren von farbigen Polizisten in Kapstadt bekräftigt worden. Leut

nant Gregory Rockwell hatte den „Anti-Aufruhr-Einheiten“ vorgeworfen, die blutigen Auseinandersetzungen verursacht zu haben. „Ich kann es nicht mehr zulassen, daß meine Leute brutal von der Polizei angegriffen werden“, sagte er.

Obwohl seine Vorgesetzten ihm inzwischen Gespräche mit der Presse verboten haben, gibt Rockwell weiter Interviews. Seine Ansichten unterstützen bei einem Treffen mit Vlok am Dienstag mehr als 40 farbigen Polizisten, darunter der höchstrangige farbige Offizier John Manuel. Kritik gegen die Polizei wurde sogar von burischen Zeitungen erhoben. Berichte über Polizeigewalt hatten die Nachrichten über die Wahl vollkommen überschattet. In einer Zeit, in der de Klerk sich positive Schlagzeilen wünscht, hatten diese Berichte der Regierung schwer geschadet.

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