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Geiseldrama: Polizei „unverantwortlich“

■ MEK-Chef Beckmann bleibt weiter im Dienst / Bremer Ausschußbericht stellt „Verselbständigung“ des MEK fest

In der Bremer Polizei rumort es kräftig. Seitdem das „Geiseldrama“ das Image der uniformierten Ordnungshüter angekratzt hat, wird nach Sündenböcken gesucht. Der von der CDU damals geforderte Untersuchungsausschuß hat in vielfältiger Weise Fehler des Polizeiapparates zu Tage gefördert und Vorwürfe bestätigt, die Augenzeugen in den ersten Tagen nach der blutigen Affaire erhoben hatten. In dem von zwei Richtern erstellten Abschlußbericht wird vor allem das Bremer „Mobile Ein

satzkommando“ (MEK), eine Spezial-Truppe der Kriminal -Polizei, belastet: Das MEK hat, so steht es in dem Bericht, „eigenmächtig“ gehandelt, der MEK-Leiter Beckmann hat „ohne genaue Kenntnis der Lage“ und „in unverantwortlicher Weise“ in die Einsatzleitung eingegriffen und als in den Tagen nach dem Tod des Italieners de Giorgi die Frage nach dem fahrlässigen Verhalten des MEK öffentlich gestellt wurde, haben die Spezial-Beamten sich mit Unwahrheiten herausgeredet.

Dieser Bericht, der seit einigen Wochen vorliegt, ist aber noch nicht offiziell. Daher existiert er für das Bremer Innenresssort offiziell noch nicht, Leiter der Spezialeinheit MEK ist bis heute Kriminalhauptkommissar Beckmann.

Im Detail: Der Bremer Innensenator Bernd Meyer hatte wenige Tage nach der Geiselnahme, gestützt auf dienstliche Erklärungen der beteiligten Beamten, behauptet, die Festnahme der Bankräuber-Freundin sei „in Notwehr“ passiert. Das MEK habe

auf einem anderen Kanal gefunkt und die festnehmenden Beamten hätten so nicht gewußt, daß die Marion Löblich am Rasthof Grundgergsee aus dem Geisel-Bus ausgestiegen war, um zur Toilette zu gehen.

Diese Darstellung sei „kaum nachvollziehbar“, stellt nun der Abschlußbericht des Ausschusses fest: Selbst das Stadt- und Polizeiamt gehe inzwischen davon aus, daß die beiden MEK-Beamten wußten, daß Löblich im Toilettenbereich war, und später die Unwahrheit sagten. Und es stehe fest, daß die Festnahme der Löblich von hinten passierte und insofern „nicht durch Notwehr gerechtfertigt war“. Also war sie geplant - offen bleibt, von wem.

Der MEK-Beamte D. hatte seine „Notwehr„-Lüge damit begründet, er habe vorher, in Huckelriede, direkt vor der Löblich gestanden. Für den Ausschuß ist dies ein „unglaublicher Vorgang“: der Beamte D. habe schon in Huckelriede durch sein Verhalten „gefährliche Situationen heraufbeschworen, wenn nicht gar zur Kaperung des Busses beigetragen“ und wenn er an der Raststätte Grundbergsee wieder in die unmittelbare Nähe der Täter gegangen sei, hätte dies „zu einer Eskalation des Tatgeschehens führen können.„

Die Entscheidung des Lagezentrums, die Löblich sofort frei

zulassen, wurde von dem MEK-Chef - so der Bericht möglicherweise sogar „bewußt unterlaufen“, auf jeden Fall hat das MEK „eigenmächtig agiert“. Vor dem Ausschuß hatte Beckmann sich in Widersprüche verwickelt. (vgl. taz vom 10.6.89). Zwischen der Anordnung der Freilassung durch die Bremer Polizei-Zentrale und der Ankunft der Löblich am Bus waren die kostbaren Minuten verstrichen, in denen der Italiener erschossen wurde. Der MEK-Chef Beckmann habe, urteilt der Ausschußbericht, „in unverantwortlicher Weise“ gehandelt; der ganze Vorgang legt, so der Ausschuß -Bericht, „wieder den Verdacht von Tendenzen zur Verselbständigung dieser Spezialeinheit nahe“.

Die Ergebnisse, die die Polizei belasten, passen am allerwenigsten in das Weltbild der CDU. Während der Ausschuß -Arbeit hatte sie immer wieder nachgefragt, ob es denn nicht möglich gewesen wäre, das Präzisionsschützen-Kommando gegen die Bankräuber einzusetzen. Um das gute Verhältnis zur Polizei aufrechtzuerhalten, geht der Fraktionsvorsitzende Kudella deshalb derzeit durch die Stadtteile und suggeriert mit einer Plakat-Kampagne nach Republikaner-Art: „Verbrechensstop statt Einstellungsstop“, es fehle an Personal bei der Polizei.

K.W.

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