: Neu im Kino
■ „Die Palm Beach Story“
Vor einigen Wochen wurde bei den Filmfestspielen von Locarno eine Retrospektive mit den Filmen von Preston Sturges gezeigt, und da lachten die über 7000 Zuschauer auf der Piazza Grande so laut über die fast 50 Jahre alten Pointen, daß ein Echo aus den Bergen zurückschallte. - Sturges macht sich mit Vorliebe über die Tabus des heilen Amerikas lustig; die Bestandteile des amerikanischen Traumes wie Helden-und Mütterverehrung, den sozialen Kitsch und die Tellerwäscher Millionär-Story. Seine Filme sind zugleich bissige Satiren und romantische Komödien, von ihnen ist „Palm Beach Story“ die gelungenste .
Claudette Colbert will da als Gerry Jeffers ihrem Mann beweisen, was „ein langbeiniges Mädchen alles tun kann, ohne das Geringste zu tun“. Aber der Erfinder von hirnverbrannten Großprojekten ist zu eifersüchtig, anständig oder einfach nur dämlich, um aus den Reizen seiner Frau Kapital zu schlagen. Von ihm getrennt, kann sie ihm viel besser helfen, und so fährt Gerry nach Florida, um sich scheiden zu lassen und einen reichen Mann zu angeln, mit dessen Geld dann Tom seinen an Drahtseilen über der Stadt schwebenden Flughafen bauen kann. Im Zug trifft sie auch prompt den zweitreichsten Mann Amerikas, J. D. Hackensacker III.. Tom reist ihr nach und will seine Ehe retten, nur um von der heiratswütigen Prinzessin Centimillia arg bedrängt zu werden. Die Frauen sind klug und skrupellos, und die Männer haben es schwer sie blamieren sich ständig. Besonders in der Scene der Superreichen, wo Tom und Gerry laufend auf die verrücktesten Typen treffen: den schwerhörigen Würstchenkönig, den klebrigen Dauergast Toto und als Höhepunkt den „Ale and Quail Club“: eine Ansammlung von netten, älteren und völlig durchgeknallten Herren, die es auf der Bahnfahrt so schlimm treiben, daß ihr Waggon mitten auf der Strecke abgehängt wird.
Zu spät oder noch zur rechten Zeit - das ist eine lächerliche Frage bei Sturges‘ Komödien mit ihrer für uns noch ganz ungewohnten Mischung aus Slapstick und einem eher aus der europäischen Tradition kommenden - absurden Humor voller Widerhaken. Aber es wurde langsam Zeit, daß nach den filmarchäologischen Ausgrabungen Lubitsch, W.C.Fields und den Marx Brothers, auch die Filme von Preston Sturges in unsere Kinos kommen.
W. Hippen
Cinema, 21 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen