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Wenn das Benzin 6 Mark kostet...

■ Die grüne Politik-Diskussion ist auf einer pragmatische Ebene angelangt / Reformen ohne „Schmus“

Das „Verursacherprinzip“ soll die Probleme der Umweltpolitik lösen, findet der Bundesumwelt-Minister Klauss Töpfer. Wenn das so sein soll, dann kostet der Liter Benzin sechs Mark, war man sich am am Dienstag abend auf einer grünen Diskussionsrunde einig. Wer kann das wollen? „Wenn ihr anfangt, den Familien das Picknick am Wochende zu vermiesen...“ drohte eine grüne Besucherin. Immerhin ist die Erhöhung der Benzin-Steuer eines der unumstrittenen Vorschläge ökologischer Reform.

Kann man die aufgelaufenen Umwelt-Probleme bewältigen ohne Güter wieder zu Luxus zu machen, die in den 50er und 60er Jahren zum „Massenkonsum“ geworden sind? Was sind die Mittel ökologischer Politik? Zehn Interessierte waren am Dienstag abend ins Konsul-Hackfeld Haus gekommen, um sich eine Kontroverse zwischen grünen Fundis und grünen Realos über diese Frage anzuhören.

Peter Willers, einer der Grünen der ersten Stunde in Bremen,

repräsentiert diese Partei heute nicht mehr. Er berichtete von Denis Meadows, dem Autor des Club of Rome-Berichts über die Grenzen des Wachstums, der ein völlig resignierter alter Mann geworden sei. Für die Leute der ersten Stunden, die in den 70er Jahren vor der „ökologischen Katastrophe“ gewarnt haben, ist es bitter anzusehen, wie Recht sie hatten. Und wie sie in dem Maße auch Recht bekommen, wie die Zerstörungen für alle sichtbar eintreten. Läßt sich der Prozeß umkehren? Anhalten? Denken wir bei dem schönen Wetter, das uns in den letzten Wochen erfreute, an das Ozon -Loch, dem wir es auch verdanken? Peter Willers sollte in der Diskussionsrunde den ökologischen Fundamentalismus vertreten. Aber er selbst sieht sich garnicht als „Fundi“, er kritisiert an dem Zustand der grünen Partei nur, daß sie die Langzeitperspektive bei ihren Vorschlägen ökologischer Reformen nicht im Auge behält. Und daß die Grünen sich mit einer „Stellvertreterrolle“ zufrieden geben anstatt ihre vornehmste

Aufgabe darin zu sehen, die Basis-Initiativen anzustacheln.

Einen engagierten „Realo“ hatte der Grüne Landesvorstand in Hamburg aufgetrieben: den ex-Bremer Jo Müller. Der räumte erst einmal auf mit liebgewordenen grünen Vorstellungen. Daß der Sozialismus ein „Auslaufmodell“ sei, betreffe „auch das, was wir in den Köpfen haben“, sagte er. Ganz andere Gesellschaften gibt es nicht, für Veränderungen brauche man Mehrheiten in dieser Gesellschaft und viel Geld, also „Prosperität“: „Der ganze Quatsch mit der Wachstumsdebatte muß aufhören“. Steuern müssen erhöht werden, Verordnungen verschärft, die „Produkthaftung“ eingeführt werden. Die Grünen müßten das „Primat der Ökologie“ betonen, denn solche Reformen würden unweigerlich zu sozialen Konflikten führen.

Peter Willers konnte dieser „realpolitischen“ Vorstellung zwar den Verrats-Vorwurf: „Du hast die Fahne eingeholt“ machen, aber warum hat es nicht zu mehr als 8% geführt, wenn Grüne „für einen anderen gesellschaft

lichen Konsens“ gekämpft haben? Claus Offe, interessierter Zuhörer und neubremer Sozialpolitik-Professor, wandte sich schroff gegen das fundamentalistische Sendungsbewußtsein. Es sei ein „tragischer Fehler“ der Grünen, daß sie die Menschen immer mit ihren „Hoffnungen belästigen“ würden. Das sei meist „sektiererischer Schmus“, den viele Menschen eben nicht teilen könnten. Eine nüchterne Darstellung der Mittel, die gefordert werden, und der erreichbaren Ziele überzeuge mehr Menschen davon, daß auch Opfer notwendig seien. Offe forderte mehr „Respekt vor der tiefen Andersartigkeit der Leute“.

Aber diese pragmatischen Vorschläge, machte der Edo Lübbing (SPD) deutlich, werden längst auch in der Lafontaine -Wahlkampfkommission „Fortschritt 90“ der SPD debattiert. Dort sei man weiter als das „Umbau-Programm“ der Grünen von 1983: „Da habt ihr die letzten Jahre gepennt“. Dem mochte Jpo Müller nicht widersprechen.

K.W.

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