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Froh zu sein bedarf es wenig

■ Reihe „Jazz im Zentrum“: R.Benesch / M.Rayher / Danner-Kucan-Duo

Sehr oft kommt es nicht gerade vor, daß ein Konzert das Publikum durchweg amüsiert zurückläßt. Als der Posaunist Michael Danner im Kultursaal der Angestelltenkammer etwas verlegen von „Ansatzproblemen“ mit seinem Instrument sprach, konnte ihm niemand böse sein.

Zusammen mit dem Saxophonisten Vlatko Kucan hatte Danner den zweiten Teil der Doppelveranstaltung East meets West beendet. Der Titel ist eigentlich etwas überzeichnet, war doch der einzige Hinweis auf den Osten die jugoslawische Herkunft Kucans. Zu Beginn präsentierte der Bremer Konzertgitarrist Ralf Benesch moderne Gitarrenkompositionen. Den Anfang bestritt er mit Werken des in Bremen ansässigen Klaus-Peter Schnegers. Die als „fragmentarisch“ angekündigten Stücke El triumfo de la confederacion, eine Interpretation der anarcho-syndikalistischen CNT-Hymne, und Notturno elegiaco waren in der Tat sehr zurückgenommen. Benesch erging sich in geradezu meditativem Zupfen, so spärlich und fein, daß das Atmen des Publikums schon wie eine Belästigung wirkte.

Im Anschluß daran wiesen Arbeiten des Kubaners Leo Brouwer über Variationen von Themen Django Reinhardts in ganz andere Richtungen. Benesch spielte fließende Stücke, die eine gewisse Heiterkeit ausstrahlten, aber immer wieder durch kleine sehnsüchtige Einschübe unterbrochen waren. Besonders die letzte Sequenz rang dem jungen Künstler eine hohe technische Fertigkeit ab, die Fingerprobleme überspielte er dabei mühelos. Nach ei

nem Stück des Ex-Bremers Andre Werner mit eruptiven Minimaltupfern, die sich immer wieder in quirlende Wellenfiguren auflösten, bildete im Zusammenspiel mit dem Pianisten Michael Rayher dessen Drei Allegorien das Ende eines wohldosierten Vortrags.

Nachdem sich schon die ehrfürchtige Haltung der knapp fünfzig ZuhörerInnen im ersten Set in ungebremsten Frohsinn verwandelte, rief der Vortrag des Duos Danner/Kucan wahre Lachorgien hervor. Ein Zwiegespräch von

Sopran-Saxophon und Posaune mit ständig vertauschten Rollen vermittelte Spielfreude pur. Danners Posaune war mal Baßbegleitung, mal Widerpart zum metallisch pfeifenden Saxophon, um dann im Overblow eigene, improvisierte Akzente zu setzen. Besonders der skurrile Michael Danner zog mit seinen brabbelnden Zwischentönen zum eigenen Solo den Beifall auf sich, um gleich danach ohne Instrument grimassierend und prustend die Tonfiguren Kucans zu begleiten. Das situative Ausnutzen der tona

len Grenzbereiche ihrer Instrumente war sicherlich nichts Neues, aber es hatte einen sehr individuellen Anstrich. Die beiden Musiker kannten sich, das war unüberhörbar. Zudem sorgte Kucans Flexibilität auf der Baßklarinette und dem Tenorsaxophon für weitere originelle Impressionen. Nach zwei witzig verfremdeten Jazz-Standards verabschiedeten sich die beiden schweißnaß. Die Reihe „Jazz im Zentrum“ hatte wieder einmal für einen musikalischen Farbtupfer gesorgt. Lobsang Samte

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