: Krieg statt Widerstand
■ Im friesischen Bockhorn kommt Kriegermal besser an als Widerstandskämpfer
50 Jahre nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges hat man im friesischen Bockhorn das Kriegerdenkmal wieder richtig restauriert. Der Schriftzug „Ihren Helden - Die dankbare Gemeinde“ erstrahlt in altem Glanz. Die grüne Wählergruppe in Bockhorn hatte damals in einem offenen Brief angeregt, über das Ehrenmal und seine Inschrift nachzudenken. Aber: „Das sind wir denen schuldig, die für uns ihr Leben gelassen haben“, bestimmte der Fraktionschef der CDU im Bockhorner Gemeinderat, Hans Haase. Die Worte „Helden“ und „dankbar“ blieben unangetastet.
In der turbulenten Diskussion um das Ehrenmal kam die örtliche SPD dann auf die Idee, eine Gedanktafel für die Opfer der NS-Herrschaft aufzustellen. Der spätere Bockhorner Gastwirt Franz Fritsch sollte namentlich erwähnt werden. Er hatte als Leiter eines Krakauer Uniformwerkes im zweiten Weltkrieg unter Einsatz
seines Lebens über 1.000 Juden gerettet. Bei Lieferfahrten schmuggelte er hunderte von ihnen in die Slowakei. Als die „Judenbegünstigung“ aufflog, wurde Fritsch gefaßt, konnte jedoch fliehen. In Israel gilt er als ein „Gerechter unter den Völkern“, die höchste Auszeichnung für Nichtjuden.
Die Sozialdemokraten wollen die Gedenktafel am Rathaus anbringen. Der Vorsitzende der CDU-Gemeindefraktion versprach zunächst auch, sich für eine Würdigung Fritschens einzusetzen. „Als ich aber vom Bürgermeister hörte, daß Bockhorn seit 30 Jahren niemanden mehr persönlich geehrt hat, war für mich die Sache natürlich gestorben.“ Der Bürgermeister, das ist Gerhard Hanken. Er brachte das Kunststück fertig, diskussionslos und geheim über die Ehrung von NS-Opfern abstimmen zu lassen. Mit 13:6 Stimmen schmetterte der Gemeinderat (CDU 7, Unabhängige 6, SPD 6, FDP 6,
Grüne1) die Tafel denn auch ab. Auf die Frage, warum nicht offen abgestimmt worden sei, antwortete der Bürgermeister: „Über Personalangelegenheiten muß geheim abgestimmt werden.“
Die BefürworterInnen der Gedenktafel beharrten jedoch darauf, die Tafel am Rathaus anzubringen und Fritsch namentlich zu würdigen. Inzwischen haben sich auch Pastoren eingeschaltet. Und der CDU-Vorsitzende des Landesverbandes Oldenburg, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundes -Finanzministerum, Manfred Carstens, sprach sich gegenüber der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Oldenburg für die ausdrückliche Würdigung von Fritsch aus.
Jetzt werden in Bockhorn neue Überlegungen angestellt, die Tafel an einem öffentlichen Gebäude anzubringen, das nicht der Kommunalverwaltung untersteht, einer Schule etwa. Thomas Seide
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