: Deutsch und noch mal deutsch
■ Heftiges Hickhack zwischen Aussiedlern, Übersiedlern und Asylbewerbern: Wer ist der allerletzte Ausländer? / Ressentiments und Neid auch in der Alternativszene
Berlin (taz) - Verzweiflung spricht aus der Stimme von Gabriele Witt, Sozialstadträtin im Berliner Bezirk Steglitz: „Täglich beschweren sich Umsiedler bei mir, daß sie sich mit Polen eine Turnhalle teilen müssen.“ So groß sei die Antipathie der Ex-DDRler gegenüber den östlichen Nachbarn, daß ihr auch schon mal gedroht werde, beim nächsten Wahltermin lieber die REPs zu wählen, als die sozialdemokratische Umsiedler-Politik weiter zu ertragen. Andere Stadtpolitiker sind mittlerweile schlauer. Sie bringen die Aus-, Umsiedler und Asylbewerber lieber gleich in getrennten Häusern unter. „Polen werden von den DDR -Bürgern eben nicht als ihresgleichen akzeptiert“, begründet der Sozialstadtrat von Charlottenburg, Udo Maier, den Separatismus im Bezirk. „Die DDRler halten ihre polnischen Nachbarn für oberfaul, verschlagen, hinterfotzig und nennen sie immer noch Polacken“, charakterisierte die polnische Journalistin Johanna Wiorkiewicz in einem Berliner Stadtmagazin die traditionelle Abneigung der DDR-Bürger gegen ihre östliche Nachbarn. Vorurteile gegen PolInnen machen auch bei gebürtigen Berlinern und Bundesrepublikanern die Runde. „Polen arbeiten für nischt und machen den Arbeitsmarkt kaputt“, hört man des öfteren in Bus und U-Bahn hinter vorgehaltener 'Bild'-Zeitung tuscheln.
Argumente wie „Die nehmen uns jetzt auch noch die letzten Wohnungen und Arbeitsplätze weg“ sind längst salonfähig und finden durchaus nicht nur in rechten Polit-Kreisen Gehör. „Die neuen Spießbürger kommen aus der DDR“, munkelt man in Kreuzberger Szene-Kneipen und stellt sich schon auf den verbalen Schlagabtausch mit den neuen MitbürgerInnen ein. Umfrageergebnisse, nach denen sich die EX-DDRler mit über 60 Prozent zur CDU und 5 Prozent zu den REPs bekennen, sind da Wasser auf den Mühlen der Skeptiker im Kiez.
„Die Neuen werden doch an jeder Ecke bevorzugt“, maulen alternative wie konservative Wohnungs- und Arbeitslose. Gerüchte, nach denen Hauseigentümer aus Subventionsgründen mittlerweile nur noch ungern an alteingesessene Bürger vermieten wollen, halten sich zäh. Dieser Gerüchteküche Einhalt zu gebieten, bereitet Politikern aller Parteien mittlerweile größte Schwierigkeiten. „Wenn zu mir ein Vermieter kommt und ausschließlich Umsiedler in seinem Haus wohnen lassen will, frage ich sofort, wieso er nicht normal vermieten will“, erklärt die Steglitzer Sozialstadträtin Witt. Aber nicht alle ihrer Kollegen sind so aufmerksam. „Natürlich gibt's da welche, die froh sind, wenn ihnen überhaupt Wohnraum für Umsiedler angeboten wird.“ Tatsächlich entstehe dann, so Sozialstadträtin Witt, schnell der Eindruck, daß die Immigranten aus der DDR schneller ein Dach über dem Kopf finden als Otto Normalverbraucher.
Am schlimmsten betroffen von Vorurteilen und drohender Obdachlosigkeit sind jedoch Asylbewerber aus Asien und dem Nahen Osten. Schon immer im Kreuzfeuer deutschtümelnder Ausländerfeindlichkeit, bekommen sie mittlerweile auch Druck von den neuen und alten Immigranten aus Osteuropa. „Was willst denn du hier?“ wird der Flüchtling aus Sri Lanka schon mal in einem türkischen Geschäft angeraunzt. Türkische Mitbewohner - selber häufig Opfer von ausländerfeindlicher Stimmung in der BRD - machen aus ihrer Abneigung gegen die asiatischen Flüchtlinge keinen Hehl. Mit Bundesadler und Deutschlandfähnchen auf der Heckscheibe ihrer Kutschen wollen auch sie verteidigen, was sie als türkische Deutsche angesichts der Masseneinwanderungen zu verlieren fürchten: Geld, Arbeit und Wohnung.
Schwarzafrikaner und Vietnamesen im Nachbarland wissen ein Lied davon zu singen, wieviel ausländerfeindliches Gedankengut in den Köpfen der DDRler spukt. Verblüffend ist es daher nicht, wenn in einem Berliner Wohnheim mit internationaler Besetzung schon mal vom „asozialen Pack“ aus dem Fernen Osten die Rede ist.
Christine Berger
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