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Nato will bei Abrüstung mogeln

Die modernen Waffen sollen vor den Folgen eines Abkommens bei den Wiener Verhandlungen gerettet werden / Begründung: Der Osten macht's ganz genauso  ■  Von Andreas Zumach

Genf (taz) - Die Nato trifft Vorkehrungen, um ihre modernen Waffen vor Reduzierung und Verschrottung zu bewahren, sobald die Wiener Verhandlungen über konventionelle Stabilität in Europa (VKSE) zu einem Abkommen mit der Warschauer Vertragsorganisation (WVO) geführt haben. Wie ein Sprecher des militärischen Hauptquartiers der Allianzstreitkräfte in Europa (SHAPE) im belgischen Mons gegenüber der taz bestätigte, wird derzeit ein Plan beraten, den der Nato -Oberkommandierende General Galvin am Dienstag vorgelegt hatte. Er sieht ein umfangreiches Programm vor, demzufolge Panzer, Artillerie, Infanteriefahrzeuge sowie Kampfflugzeuge und -hubschrauber zwischen den 16 Nato-Staaten verschoben werden sollen. Auf diese Weise will man sicherstellen, daß nach einer Einigung mit den WVO-Staaten über neue Höchstgrenzen für diese Waffenkategorien im Westen nur die älte- sten Modelle verschrottet werden müssen.

Die Waffen in den fünf Kategorien unterscheiden sich in den 14 von einem Wiener Vertrag betroffenen Nato-Staaten (außer USA und Kanada) beträchtlich nach Menge und Alter. In Wien ist bereits vereinbart, die neuen Höchstgrenzen durch Reduzierungen von unterschiedlicher Stärke in den verschiedenen Zonen des gesamten Vertragsgebietes zwischen Atlantik und Ural zu erreichen. So sollen zum Beispiel in den Ländern der Zentralzone an der Bündnisnahtstelle weit mehr Panzer reduziert werden als etwa in Großbritannien und Bulgarien. Durch Austausch und Verschiebungen, so Galvins Vorschlag, soll gewährleistet werden, daß „kein Bündnispartner seine modernen, für teures Geld angeschafften Waffen opfern muß“, wie der SHAPE-Sprecher formulierte. Vor der Verschrottung bewahrt werden sollen auf diese Weise Fortsetzung auf Seite 2

z.B. die derzeit modernsten und leistungsfähigsten Panzer der Nato, der bundesdeutsche Leopard 2, der britische Challenger und der M1-Abrams der USA. Zur Verschrottung freigegeben würden etwa britische Chieftain-Panzer, veraltete Artilleriegeschütze oder Veteranen aus den 50er und 60er Jahren, wie der Canberra-Bomber oder das Kampfflugzeug Buccaneer.

Besonders bei Flugzeugen und Hubschraubern werden auch weitere Waffenverschiebungen von den USA nach Westeuropa erwogen. Bereits zwischen Mai und Juli dieses Jahres hatte die Nato durch eine vom

stellvertretenden Generalsekretär Wegener als „Routinevorgang“ bezeichnete Verschiebung von 400 Kampfflugzeugen über den Atlantik die in Wien vorgelegten Zahlen über den Bestand in Westeuropa nach oben verschoben. Die von der Nato seit Juli vorgeschlagene Reduzierung ihrer jetzt mit 6.600 bezifferten Kampflugzeuge um 15 Prozent auf 5.700 ließe sich fast ausschließlich durch die Verschrottung älterer Typen erreichen. Auf diese Weise wurden Frankreich und England befriedigt, die ihre doppelverwendungsfähigen Flugzeuge (atomar und konventionell) nicht einbeziehen wollten.

Galvins komplizierter Plan liegt der politischen Führung der Nato noch nicht zur Entscheidung vor und wird in den militärischen Stäben der Alli

anz beraten. Dort ist er nach Auskunft des SHAPE-Sprechers auf „enthusiastische Zustimmung“ der Vertreter aller Bündnispartner gestoßen. Die endgültige Verabschiedung des Plans sei erst nach einer Wiener Nato-WVO-Vereinbarung möglich. Die Nato gehe davon aus, die Frage, welche Typen in den fünf Waffenkategorien verschrottet werden, sei „eine ausschließlich interne Angelegenheit“. Die WVO werde „dies genauso handhaben“. Man sei skeptisch gegenüber Moskaus Ankündigung, bei einseitigen Abrüstungsschritten auch moderne Waffen zu verschrotten. So seien „mit den modernen Artilleriegeschützen inzwischen aufgelöster sowjetischer Truppeneinheiten in der DDR andere Verbände ausgerüstet worden“.

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