: Atommüll: Test für Endlagerung in Asse
■ 5 Jahre Testliegen, dann nach Gorleben / AtomgegnerInnen befürchten europäisches Endlagerzentrum im Tausch gegen Wiederaufarbeitung
30 hochaktiv strahlende Glaskokillen mit einer besonders starken Konzentration von Caesium 137 und Strontium 90 hat das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) zur versuchsweisen Zwischenlagerung im Salzbergwerk Asse II bei Salzgitter gekauft. Die Spezialbehälter mit den Abfällen aus amerikanischen Wiederaufarbeitungsanlagen (WAAs) sollen unter der Aufsicht niederländischer, französischer und amerikanischer Atomindustrieller ab 1990 fünf Jahre lang auf ihr Verhalten im Salz getestet werden.
„Wir warten bereits seit zwei Jahren auf diese Behälter“, kommentierte Claus Schröder von der
Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad den strahlenden Einkauf. Für die KernkraftgegnerInnen in der Region Salzgitter/Gorleben sind die geplanten Versuche lediglich ein letzter Schritt zum Bau eines europäischen Endlagerzentrums. Mit dem amerikanischen Müll in der Asse wolle das BMFT die Bedingungen für die Endlagerung hochaktiven Mülls in Gorleben simulieren, um damit den längst fälligen Entsorgungsnachweis für bundesdeutsche Kernkraftwerke zu erbringen.
Die bundeseigene „Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung“ (GSF) mit Zweitsitz in Braunschweig führte bis 1978 die Einlagerung von schwach
und mittelaktivem Atommüll in der Asse durch. Nachdem fast 130.000 Fässer versenkt waren, mußte die Einlagerung gestoppt werden. Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren fehlte. Seitdem wird im Salzbergwerk „nur noch“ geforscht. Für Experimente mit dem hochaktiven, wärmestrahlenden Müll aus Amerika reicht das bergrechtliche Genehmigungsverfahren vom Bergamt in Clausthal. Ausgestattet mit diesem Instrumentarium beginnt jetzt die letzte Testreihe.
Der BMFT-Importmüll ist in seiner physikalischen Zusammensetzung wesentlich strahlungsintensiver als vergleichba
rer europäischer Abfall. Es geht in diesem fünfjährigen Test darum, geologische oder physikalische Reaktionen unter extremer Strahlungsintensität zu beobachten. Und trotz der erhöhten Gefährdung für Menschen und Umwelt bei Transport und Lagerung des Mülls gibt es für BMFT-Sprecher Christian Patermann nur noch formale Probleme: „Sobald wir von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt die Transportgenehmigung haben, können die Kokillen in die Asse gebracht werden.“ Nach fünf Jahren „Zwischenlagerung“ sollen sie dann laut Patermann im Gorlebener Endlager verschwinden.
Das angesprochene Endlager
muß aber noch politisch und rechtlich durchgezogen werden. Die Zuversicht, mit der hier der Bundesminister die Entsorgungsprobleme der Atomindustrie zu kaschieren versucht, geben den Befürchtungen der KernkraftgegnerInnen neue Nahrung, mit der Aufgabe des Großprojekts Wackersdorf hätten sich die Kraftwerksbetreiber europaweit auf eine Endlagerung in Gorleben festgelegt. Französische oder englische Wiederaufarbeitung sei gegen die Endlagerung eingetauscht worden. Warum sonst testen das BMFT und die GSF die Behälter mit Strahlendosierungen, die in der Bundesrepublik noch nicht vorkommen? Neben
dem Superschrott aus Amerika sprechen noch andere Indizien dafür. Die geplante Pilotkonditionierungsanlage (PKA) zum Beispiel: Hier soll Atommüll, der nicht in La Hague oder Sellafield wiederaufgearbeitet werden kann, „lagerfähig“ in Kokillen eingegossen werden. Dem Bundesminister und der Atomindustrie läuft langsam die Zeit weg. 1995 muß auch der in den europäischen WAAs ausgelagerte Atommüll wieder zurückgenommen werden. Spätestens dann fliegt der gesamte Entsorgungsschwindel auf, wenn der Gorlebener Entsorgungspark nicht mindestens auf dem Papier existiert.
mad
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