: „Wir haben keine Alternative“
■ Den „Zwischennutzern“ in der Kreuzberger Alten Feuerwache steht die Räumung bevor / Pfadfinder kontra Zwischennutzer: Gästehaus oder Wohnraum?
Wenn es denn so kommt, wie es kommen muß, dann steht am 30. Oktober der Gerichtsvollzieher - ausgestattet mit einem Räumungstitel - vor den Wohnungstüren in der Lindenstraße 40/41, besser bekannt unter dem Namen Alte Feuerwache. Und wenn, was ebenfalls abzusehen ist, die betroffenen Hausbewohner nicht freiwillig ihre Sachen packen, dann wird sich wohl eine Hundertschaft der Polizei darum kümmern. Genau weiß Timm Lehmann vom Bund Deutscher Pfadfinder (BDP) das nicht, es sei schließlich das erste Mal, daß man mit einer Räumungsklage hantiere. An die 30 Bewohner, sogenannte Zwischennutzer, will der BDP aus dem Haus haben, um mit dem Umbau der Feuerwache zu einer Kiezbegegnungsstätte zu beginnen. Geplant sind seit 1983 ein Jugend- und Kulturzentrum des Kreuzberger Bezirksamtes, neun Wohnungen für Jugendliche, ein Kinder- und Jugendladen, Nachbarschaftsheim und Stadtteilcafe - alles unter der Trägerschaft des BDP. Der Baubeginn wurde immer wieder verschoben, Zwischennutzer erhielten zeitlich begrenzte Verträge, um das Gebäude nicht leerstehen zu lassen. Diesen wurde vertragsgemäß zum 30. April gekündigt, doch sie blieben. Wo hätte man auch hingehen sollen, sagt Veronika, die seit letztem Herbst in der Feuerwache wohnt. Umsetzwohnungen oder ein anderes Haus seien ihnen nie in Aussicht gestellt worden. „Eben mal locker eine Yuppiewohnung abzuziehen“ ist nicht drin für die Leute in der Lindenwache. „Wir haben keine Alternative und sind dann faktisch obdachlos.“
Im November will der BDP nun endgültig mit dem Bau beginnen, was von Veronika und den anderen allerdings bezweifelt wird. „Hier herrscht seit 1985 Baubeginn.“ Das Konzept des BDP, der 1985 die Trägerschaft der Alten Feuerwache übernahm, wollen die nun vom Rausschmiß bedrohten Bewohner nicht gelten lassen. Angesichts der Wohnungsnot das Haus dem BDP für ein „scheinbar soziales Projekt mit Jugendgästehaus für Berlinbesucher“ zu überlassen, halten sie für verantwortungslos. „Vernichtung von Wohnraum“, sagen sie. Man könne nicht nur Wohnungsbau betreiben und soziale Einrichtungen vernachlässigen, hält Timm Lehmann dagegen und verweist auf den eklatanten Mangel an Treffpunkten für Jugendliche gerade in der südlichen Friedrichstadt. Zu Kompromissen ist keine Seite bereit. Weder wollen sich die „Zwischennutzer“ das Haus mit dem BDP teilen, noch kann der sich vorstellen, sein Konzept zugunsten zusätzlichen Wohnraums zu ändern. Heute will man sich noch einmal zu einem gemeinsamen Gespräch treffen. Über das Ergebnis machen sich die Beteiligten keine großen Hoffnungen mehr.
anb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen