Taz-Akte des VS kommt auf den Tisch

Berlins Innensenator Pätzold will die vom Verfassungsschutz gesammelten Daten über die taz und ihre Mitarbeiter öffentlich machen / Vor einer Freigabe stehen nur noch datenschutzrechtliche Bedenken / Betroffene sollen sich melden  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Einer Freigabe der Meterware „Sachakte taz“ beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (VS) stehen nur noch datenschutzrechtliche Bedenken im Wege. Fünfzig Ordner mit illegal gesammelten Erkenntnissen in den Regalen der Lauschbehörde könnten in Kürze der Geschäftsleitung der taz zur Einsicht gegeben werden, wenn sich frühere und heutige MitarbeiterInnen des Zeitungsprojekts mit einer Veröffentlichung ihrer Daten einverstanden erklären. Einen Grund, die Akten länger geheim zu halten, gebe es nicht, erklärte der Berliner Innensenator Erich Pätzold am Dienstag in der Sitzung des Berliner Verfassungsschutz-Ausschusses. Gewahrt bleiben müßten aber die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter, deren Namen sich in Hülle und Fülle durch den Aktenberg ziehen. Jeder Versuch, die einzelnen namentlich Erwähnten um ein Einverständnis zur Offenlegung zu bitten, muß aber angesichts des aufgehäuften Materials scheitern. Ein gangbarer Weg, meinte Pätzold, wäre ein Aufruf an die Betroffenen, im Falle eines Widerspruchs sich schriftlich an den Senat zu wenden (was hiermit geschehen ist, d. Red.). Nach Ablauf einer „Schamfrist“ stünde dem Einblick in die historischen Dokumente der rasanten Fehlentwicklung im Berliner VS nichts mehr entgegen.

In der Ausschußsitzung erläuterten Innensenator und VS-Chef Schenk weiter, wie sie künftig mit den Auskunftsbegehren von Gespeicherten umgehen wollen. Eine Vorlage wird zur Zeit im Innensenat vorbereitet und soll dem Ausschuß zur Begutachtung vorgelegt werden. Danach soll, entgegen der früheren Praxis, jetzt die Wahrheit gesagt werden. Bürger, die wissen wollen, ob sie gespeichert sind, sollen künftig mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ beschieden werden und gegebenenfalls Einblick in die Unterlagen erhalten.

Die AL-Abgeordnete Lena Schraut hatte zuvor zwei exemplarische Beipiele der VS-Auskunftsfreude gegeben. Der frühere AL-Abgeordnete Klaus-Jürgen Schmidt hat etwa zehn Monate, nachdem er beim Berliner Landesamt einen Antrag gestellt hatte, tatsächlich Akteneinsicht erhalten. Die 200 -Seiten-Akte, die ihm dann ein Mitarbeiter des VS vorlegte, war allerdings nicht vollständig. Zahlreiche Blätter wurden herausgenommen, weil er angeblich kein Recht hätte, in diese einzusehen. Sinngemäß wurde ihm auch mitgeteilt, daß selbst der Ausschuß für Verfassungsschutz diesen Teil der Akte nicht zu Gesicht bekomme. Armin Mayer, stadtbekannter Berliner Autonomer, mußte sich den Worten Schrauts zufolge auch wundern. Auf seine Anfrage teilte ihm das Landesamt mit, daß er in der Verfassungsschutzdatei NADIS nicht gespeichert sei. Unglaubwürdig sei das nicht nur, weil Armin Mayers Datensatz im Zusammenhang mit einer manuell geführten Hausbesetzter-Datei spätestens seit 1982 im NADIS-Computer gespeichert sein müßte. Darüber hinaus sei im September 1988 gegen ihn ein Verfahren nach Paragraph 129a eingeleitet worden, und diese Datensätze hätte das Bundeskriminalamt das ginge aus einem geheimen Prüfbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz hervor - regelmäßig in NADIS abgespeichert.

Nach den Plänen der Berliner Innenbehörde soll künftig eine Auskunft nur noch dann verweigert werden können, wenn es „aktuelle Erfordernisse für Beobachtungserkenntnisse gibt“. Wer als Mitglied einer orthodoxen kommunistischen Gruppe oder als Anhänger einer „bestandsfesten rechtsextremistischen“ Gruppe gilt, wird aber weiterhin leer ausgehen. Pätzold bedauerte, daß die rechtlichen Vorschriften keine „relativierende Beurteilung“ einer vermeintlichen verfassungsfeindlichen Bestrebung zulassen. Einschränkend gilt weiter, daß das Landesamt nur über selbst gewonnene „Erkenntnisse“ Auskunft geben darf.