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Es geht auch ohne die Jungs

■ Am vergangenen Wochenende fand das erste multikulturelle Mädchenfest im Wedding statt / Für türkische Mädchen sind eigene Gruppen die einzige Möglichkeit, Selbständigkeit außerhalb von Familie und Elternhaus zu erlernen

„Im Jugendzentrum findet heute das 1. Weddinger multikulturelle Mädchenfest statt. Wir heißen alle Mädchen und Frauen herzlich willkommen!“ leitet ein 14jähriges Mädchen das Programm im Jugendzentrum der Weddinger Hussitenstraße ein, zu dem etwa 60 Mädchen und Frauen zwischen 10 und 30 Jahren gekommen sind. Das Mädchen gehört zu der erst seit zwei Monaten bestehenden deutschen Mädchengruppe des Zentrums, die das Fest in wochenlanger Arbeit vorbereitet hat. „Wir haben die ganze Dekoration und das Essen gemacht“, erzählt Bianca (14) stolz. Aufgeregt ist sie, da die Mädchengruppe zum ersten Mal die in der Gruppe einstudierten Sketche und eine Modenschau zeigt. „Am Anfang waren sie alle ziemlich verunsichert und wollten nicht in der Gruppe sein“, erzählt Edel (27), die Betreuerin. „Mittlerweile haben die Mädchen genügend Selbstvertrauen, um sich vors Publikum hinzustellen.“ Mit dem Fest wollen Edel und ihre Kollegin Elke Kontakte zu den anderen Mädchenprojekten des Bezirks und darüber hinaus knüpfen. So stellen sich im Programmteil Gruppen wie die Mädchenband der Friedensgemeinde Wedding oder die Aerobicgruppe des Wedddinger Jugendzentrums Demminer Straße vor. Susanne (26), die die Aerobicgruppe betreut, hat ein gestiegenes Selbstvertrauen bei ihrer Gruppe festgestellt. „Sie sind in diesem Alter ziemlich auf Jungs fixiert und sehen nun, daß es auch mal ohne geht.“ Seit einem Monat gibt es auch eine türkische Mädchengruppe im Jugendzentrum Hussitenstraße. Schwer sei es gewesen, an diese Mädchen heranzukommen, erzählt die türkische Honorarkraft Sirin (20). „Auf der Straße waren kaum Mädchen zu finden, nur die Mütter, die es ihren Töchtern weitererzählten.“ An diesem Samstag ist jedoch keine aus der Gruppe erschienen: „Die müssen am Wochenende in der Familie helfen“, weiß Sirin. Gekommen sind türkische und arabische Mädchen aus dem AusländerInnenprojekt PUTTE in der Prinzenallee. Auch das jordanische Mädchen Samiera (16), das seit vier Jahren bei PUTTE mitmacht, hatte anfangs Schwierigkeiten mit den Eltern. Für sie und ihre Schwester Zuhad (12) ist PUTTE die einzige Möglichkeit, rauszukommen und mal ins Kino zu gehen: „Ich habe mich jetzt durchgesetzt und zeige, was ich will und was nicht.“ Auf dem Fest erschienen ist auch Yvonne Vaupel (27), die seit einem Monat Mädchenbeauftragte des Kirchenkreises Wedding ist. Ihre Aufgabe ist es, als Ansprechpartnerin die Weddinger Mädchengruppen zu koordinieren. Mädchen fielen meist aus der Jugendarbeit raus, weil sie so schwer ansprechbar seien. „Wenn du mit Mädchen arbeiten willst, mußt du erst mal traditionelle Sachen anbieten“, erzählt Yvonne aus ihrer Berufspraxis. Viele Kolleginnen hätten Skrupel, die Mädchen mit Nähangeboten in ihrer Rolle festzulegen, „wichtig ist aber, daß die Mädels überhaupt erst mal kommen“.

Karin Figge

Adressen von Mädchenprojekten: Y. Vaupel, Tel.: 4566937

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