: Nicaragua- Wahlkampfhilfe-betr.: "Was bedeutet linke Solidarität?", Kommentar von Gerd Nowakowski, taz vom 25.10.89
betr.: „Was bedeutet linke Solidarität?“, Kommentar von Gerd Nowakowski, taz vom 25.10.89
(...) Nicht nur, daß Redakteur Nowakowski blauäugig und schlecht nformiert zu sein scheint, nein, alleine seine Sprachwahl würde genügen, ihm noch mal einige Stunden Geschichtsunterricht zukommen zu lassen. Wer in einer Zeitung, die sich ja immer noch „links“ ansiedelt, den Nazibegriff „entartet“ verwendet, der zeigt entweder wie unsensibel er ist, oder, wes Geistes Kind er ist.
Zum Inhaltlichen seiner Kritik an der Bezuschussung des FSLN-Wahlkampfes durch BRD-Soligruppen: Im Unterschied zu den rechten BRD-Stiftungen unterstützen die Soli-Gruppen eben nicht Formen von Gewaltherrschaft, sondern eine revolutionäre Partei, die, wäre Gerd Nowakoskwi gut informiert, sicherlich nicht unter die Rubrik „Gewaltherrschaft“ zu fassen ist.
Wenn der Kommentator auch gleich noch die salvadorianische FMLN mit einbringt, so zeigt dies doch nur, daß seine Argumentation allein am Beispiel Nicaragua nicht verfängt. Hätte er auf Seite 5 derselben taz-Ausgabe auch den Artikel von Gottwald/Leonhard gelesen, er hätte nur addieren müssen, um zu bemerken, wieviele Millionen die „freie Welt“ investiert, um in Nicaragua wieder ein rechtes Regime zu etablieren. Und dann weist Nowakowski abschließend darauf hin, daß allein der Rückhalt in der Bevölkerung entscheidend sei. Hat denn der Herr Journalist noch nie was von Wahl-, Medien- und sonstigen Kampagnen gehört, die nicht nur in unserer Welt Auswirkungen zeigen? Gerade in einem Land, das einen achtjährigen Söldnerkrieg zu verkraften hatte, dessen wirtschaftliche Situation katastrophal ist, sind solche Mechanismen erfolgversprechend. Oder warum investiert „der Westen“ so kräftig?
Unsensible Wortwahl und unzureichender Informationsstand: Kann es weitere Gründe geben, einen Kommentar besser nicht geschrieben zu haben?
Heiko Melcher, Freiburg
(...) Die FSLN wird die ihnen gespendeten oder als Darlehen zur Verfügung gestellten Gelder - so darf zumindest angenommen werden - sinnvoll im Rahmen ihres Wahlkampfes verwenden. Dieses Vertrauen hat jedenfalls der Vergaberat des Solifonds. Ob diese Gelder letztlich das sandinistische Experiment sichern helfen können, bleibt - nicht nur angesichts der vergleichsweise lächerlichen Summe - ungewiß. Sollte die Opposition im nächsten Jahr tatsächlich gewinnen, wird (gerade hierzulande) der große Katzenjammer ausbrechen, und dann würden Ahnungslose wie Gerd Nowakowski und Ruth Hammerbacher mit ihrer „distanzierten Sympathie“ vermutlich über die unzureichende Solidarität der (deutschen) Linken lamentieren.
Der Vergaberat des Solifonds hat sich seine Entscheidung für einen Kredit an die FSLN nicht leicht gemacht. Eine ausführliche Diskussion war bei der Sondersitzung Anfang Oktober vorangegangen. Daß damit ein Präzedenzfall geschaffen wird, wurde mit einkalkuliert. Andererseits ist die laufende Arbeit des Solifonds davon keineswegs direkt tangiert, da es sich bei den Kreditgeldern bekanntlich um ein Sondervermögen handelt. Es liegt nun an den grünen Mitgliedern (und auch an den LeserInnen der taz), daß diese, der FSLN zur Verfügung gestellten Gelder, über Spenden wieder an den Solifonds zurückfließen, da in der Tat die Chance, dieses Darlehen von den Sandinisten wieder zurückzubekommen, verständlicherweise nicht sonderlich groß ist.
Jetzt heißt es jedenfalls handeln und, bei allen Vorbehalten gegenüber der FSLN, das nicaraguanische Experiment unterstützen, bevor es zu spät ist!
Roland Schmitt, Eschringen
Hier die schlichte Antwort auf Nowakowskis zynische Frage, „...mit welcher Rechtfertigung die finanzielle Unterstützung von rechten Gewaltherrschern durch die Seidel- und Adenauerstiftung noch gegeißelt werden kann, wenn nun die Grünen direkt eine regierende Partei unterstützen“. Weil es bei der jeweiligen Unterstützung um unterschiedliche Inhalte geht, zugespitzt um Revolution oder Konterrevolution.
Warum sich Nowakowski aufregt, ist eh unklar: Gehört doch seine radikale Tageszeitung seit Jahren zu denjenigen Kräften in der BRD, die eine Demokratisierung Nicaraguas nach dem Muster der FDGO inklusive Wahlkampfschlacht mit herbeigeschrieben haben.
Fazit: Was linke Solidarität ist, kann ein Journalist wie Herr Nowakowski sowieso nicht beantworten.
Andreas Gampert, Barbara Jung, Danuta Sacher, Hans Georg Aldenhoven, Lorenz Beckhardt, Bonn
(...) Es reicht eben nicht, „den Überlebenskampf der dortigen Regierung mit viel Sympathie zu verfolgen“, konkrete Solidarität ist gefragt. Und wer sollte das „Objekt“ der Solidarität sein, wenn nicht diejenigen, die als einzige die Garantie für eine Weiterführung des revolutionären Prozesses bieten, also die FSLN?
Um es klar zu machen: ob in Nicaragua in den nächsten Jahren nach einem Wahlsieg der Frente an die Verwirklichung der Revolutionsziele zügig herangegangen werden kann, ob sich die Wirtschaft erholt und im sozialen Bereich Erfolge erzielt werden können, wird leider am allerwenigsten in Nicaragua selbst entschieden. Die FSLN kann also nur den Willen, das zu tun, zum Regierungsprogramm erheben. Doch die Alternative stellt sich eben nicht zwischen der FSLN und „besseren“ Revolutionären, die auch für Nowakowski wieder solidaritätsfähig wären. Die Alternative stellt sich zwischen der Revolution und der - ins zivil-politische Kleidchen gehüllten - Konterrevolution, die ihre Klientel die nicaraguanische Bourgeoisie und die US-Strategen - nach einem Wahlsieg sofort bedienen könnte. Ob diese Revolution nun Fehler gemacht hat oder nicht, sollte für Linke eigentlich nicht die Frage sein, jedenfalls dann nicht, wenn wir es mit der Nicaragua-Solidarität jemals ernst gemeint und uns nicht lediglich mit unseren Wünschen für eine Revolution solidarisiert haben. (...)
Besonders übel stößt in diesem Zusammenhang der ewige Verweis auf die Verletzung der Menschenrechte auf, in dieser Diskussion ist ja selbst die SPD weiter. Denn die von Nowakowski behauptete Argumentation der Linken, Menschenrechtsverletzungen seien „durch die Bedingungen des Überlebenskampfes erzwungen worden“, wird nicht einmal durch die FSLN selbst vertreten. Tatsache ist, daß Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua so rigoros wie in kaum einem anderen Land der Welt verfolgt und bestraft werden und daß sandinistische Soldaten deswegen in die Gefängnisse gewandert sind.
Daß Nowakowski sich aber auch keine Mühe gegeben hat, sich in die Materie einzulesen, verdeutlicht seine Bemerkung, es sei „unglaubwürdig, daß die nicaraguanische Regierung nach dem Ende der Kämpfe keine Wahlkampfschlacht finanzieren kann“. Nowakowski wird es nicht für möglich halten, aber auch in Nicaragua wird der Wahlkampf der Regierungspartei nicht aus dem Staatshaushalt finanziert beziehungsweise nur zu genau dem gleichen Teil wie der jeder anderen Partei. Das nicaraguanische Wahlgesetz spricht da eine deutliche Sprache. Und da eben die Rechts-Opposition massiv durch die USA und bundesdeutsche Institutionen unterstützt wird, muß die FSLN auf unsere Hilfe zählen können. Denn ob die Politik der Sandinisten Rückhalt in der Bevölkerung hat, hängt auch von den Möglichkeiten der FSLN ab, ihre Positionen und Perspektiven darstellen zu können - und das ist allerdings eine Frage der Finanzmittel.
(...) Es ist ein typisches Merkmal des links-liberal -zynischen taz-Journalismus zu meinen, daß Glaubwürdigkeit linker Politik dann entstünde, wenn kein klarer Standpunkt bezogen wird, wenn man/frau sich nicht „vereinnahmen“ läßt. Glaubwürdigkeit linker Politik geht aber tatsächlich dann verloren, wenn in Momenten, wo es nicht darum geht, Hurrikan-Schäden in Bluefields wieder auszubessern, sondern den gesamten revolutionären Prozeß zu unterstützten, nur noch „Sympathie“ und keine Solidarität mehr vorhanden ist. Deshalb: Farbe bekennen.
Autonomes Seminar Nicaragua an der Befriedeten (?) Universität Berlin, Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Kreuzberg-San Rafael del Sur (Nicaragua)
Ich verstehe, daß die taz als linksliberale Tageszeitung sich nicht ohne Distanz, Rechtfertigung oder Kritik für ein Projekt antiimperialistischer Solidarität, nämlich der Unterstützung des Wahlkampfs der Sandinisten in Nicaragua, einsetzen will und folglich einen Kommentar schreiben läßt. Ein Kommentar sollte jedoch einen politischen Sachverhalt verdeutlichen und bewerten, somit den Meinungsbildungsprozeß der LeserInnen fördern. Dieses Ziel verfolgt Gerd Nowakowski jedoch nicht.
Statt dessen übermittelt er den LeserInnen Zeile für Zeile ein Sammelsurium von Halbwahrheiten, Unterstellungen, entstellenden Verallgemeinerungen und Assoziationen, auf die sich eigentlich nicht einzugehen lohnt. Gerade der Nicaragua -Solidarität ist es gelungen, eine in wesentlichen dem Inhalt und der Form nach, in Theorie und Praxis kritische Solidarität mit Nicaragua und der FSLN zu entwickeln (ohne Besserwisserei auf beiden Seiten).
Wir haben viele Gemeinsamkeiten im Kampf um Menschenrechte, Demokratie und die Rechte nationaler Minderheiten. Es ist deshalb folgerichtig, daß wir hier in der BRDeutschland den Wahlkampf der sandinistischen Partei in den kommenden Monaten unterstützen werden, auch weil es keine Alternative zur FSLN gibt.
Peter Korn, Hamburg
(...) Abgesehen von der Unmöglichkeit, einen Überlebenskampf vom Lehnstuhl aus wohlwollend, aber untätig zu beobachten, und womöglich danach mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns dessen Scheitern zur Kenntnis zu nehmen, worin besteht der Unterschied, außer daß die erste Variante die Gefahr des Scheiterns erhöht.
Entweder die sandinistische Revolution ist ein Fortschritt für das nicaraguanische Volk, dann muß sie auch materiell unterstützt werden, oder sie ist keiner, dann darf sie auch nicht öffentlich mit Sympathie bedacht werden (was ja auch schon eine „linke TÜV-Plakette“ ist).
Natürlich muß auch die FSLN in bezug auf Menschenrechtsverletzungen kritisch beobachtet werden. Dies darf konkrete Unterstützung jedoch nicht von vornherein ausschließen, zumal sie sich bei ihrem verheerendsten Fehler auf diesem Gebiet, der Unterdrückung der Indianer der Atlantikregion als reformwillig und Kritik gegenüber aufgeschlossen gezeigt hat.
Das Argument, die Regierung habe „nach Ende der Kämpfe“ genug Geld, um den Wahlkampf selbst zu finanzieren, ist lächerlich. Wirtschaft und Infrastruktur liegen in Trümmern, und jeder Pfennig wird für deren Wiederaufbau gebraucht. Deshalb, spendet für den Wahlkampf der FSLN. Denn wenn eine Regierung unser „linkes TÜV-Siegel“ verdient haben sollte, dann die nicaraguanische.
Tobias Reichert, Nienstein 1
(...) Statt den internationalen Zusammenhang herauszuarbeiten - so hat die USA bis heute nicht darauf verzichtet, nur diejenigen Regierungen in Latein- und Mittelamerika zu akzeptieren, die ihr auch passen -, greift Nowakowski eine internationale Solidaritätspolitik als unglaubwürdig an, die einerseits die Spendenpraxis der Konrad-Adenauer-/Heinz-Seidel-Stiftungen für rechte Diktaturen anprangere, andererseits eine linke Regierung in Managua offen materiell in ihrem Kampf gegen die legale Contra-Opposition unterstütze. Nowakowski verkürzt auf diese Weise die Tatsache, daß nicht Regierung gleich Regierung ist, sondern jede Regierung zugleich unterschiedliche Inhalte, Interessen und eine unterschiedliche gesellschaftliche Praxis verkörpert.
Eine Solidarität mit linken Regierungen schließt zwar immer eine kritische Betrachtungsweise mit ein, denn jede fortschrittliche Politik lebt von dieser Kritik, darf sich aber niemals in formalen Solidaritätsbekundungen und moralischem Zeigefindgergebaren erschöpfen. Das sollte doch ein Realo wie Nowakowski wissen.
Wenn er schon appelliert, aus den Erfahrungen linker Solidaritätspraxis zu lernen, so möchte ich ihn an den Nichteinmischungspakt der Westmächte mit den faschistischen Regierungen Italiens und Deutschlands während des spanischen Bürgerkriegs erinnern. Was die Faschisten von diesem Pakt hielten, ist bekannt; was sie mit der damaligen Volksfrontregierung und ihren Anhängern machten, auch. Oder glaubt Nowakowski wirklich, die Contras ließen nach einem möglichen Wahlsieg die Sandinisten unter den gleichen politischen Bedingungen arbeiten, wie sie ihnen von der heutigen Regierung Nicaraguas zugestanden werden?
Peter Mau, Hamburg
betr.: dito und „Grüner Streit um FSLN-Kredit“
Was waren das noch Zeiten, als die Bonn-Redaktion noch eine Perle der taz war und noch richtig recherchiert wurde. Dieser Gedanke kommt einem automatisch beim Lesen von Gerd Nowakowskis Artikel nebst Kommentar.
1. Der Solifonds der Grünen ist nicht „sechs-Millionen-Mark schwer“, sondern hat jährlich 385.000 Mark zur Verfügung; die sechs Millionen Mark sind zur Zeit in den Händen der Bundespartei. Vor dem Mai 1989 war die Finanzausstattung sogar noch geringer.
2. Anläßlich des Hurricans, der Nicaragua letztes Jahr verwüstete, hat sich der Solifonds nicht einfach auf „preiswerte politische Aufklärungsarbeit“ beschränkt. Er fand es aufgrund seiner bescheidenen finanziellen Möglichkeiten nur sinnvoller, gemeinsam mit dem Informationsbüro Nicaragua und medico international hier in der BRD eine Kampagne für den ökologischen Wiederaufbau Nicaragus zu starten und hierfür Geld zu sammeln, als sich mit einem relativ geringen Betrag direkt im Lande zu engagieren.
3. Und nun zum Wahlkampfdarlehen an die FSLN. Dieser Kredit ist nur möglich gewesen, weil die Bundespartei dem Solifonds 2,5 Prozent der Wahlkampfkostenrückerstattung der EG-Wahl 1989 zuführte; das sind genau die besagten 490.000 Mark. Als der Solifonds sich mit dem entsprechenden Finanzantrag befaßte, hat er sich nicht „gutwillig vereinnahmen lassen“. Er hat vielmehr lange, ernsthaft und kontrovers diskutiert, ob er eines seiner Prinzipien („keine Parteienfinanzierung“) diesmal bricht. Er ist schließlich mit großer Mehrheit der Auffassung gewesen, daß diese Ausnahme gerechtfertigt ist. Die FSLN ist die einzige Partei Nicaraguas, die für die Fortführung der Revolution mit ihren Errungenschaften (Landreform, Gesundheit und Bildung für alle etc.) steht. Obwohl die Sandinistas trotz gravierender wirtschaftlicher Probleme weiterhin auf breite Unterstützung im Land zählen können, bedeutet die massive Finanzierung des Contra -Wahlbündnisses von rechts, daß die Wahlen manipuliert, Wahlstimmen gekauft werden können. Die FSLN hat Schwierigkeiten, ihren Wahlkampf zu finanzieren; aus ihren eigenen Mitteln ist das unmöglich. Diejenigen, die ihr diese Wahl aufgezwungen haben (nicht zuletzt die Sozialistische Internationale), halten sich jetzt vornehm zurück, und die internationalen Finanzmärkte sind restriktiv und teuer.
Solidarische Kritik an der FSLN ist innerhalb der Solibewegung nicht nur unerläßlich, sondern mittlerweile auch weit verbreitet, obwohl der besagte Artikel beziehungsweise Kommentar das Gegenteil unterstellt. Nur, wenn die FSLN aufgrund von Manipulationen die Wahl verlieren sollte, ist das Projekt Nicaragua Libre mit seinem Symbolcharakter und seiner trotz jahrelangem Contrakrieg und Wirtschaftsmisere immer noch vorhandenen Vorbildfunktion gestorben. Und genau deshalb hat der Solifonds den Kredit bewilligt.
Wolfgang Lippel, niedersächsisches Mitglied im Solifonds
Der Kommentar von Gerd Nowakowski hat mich bewogen, für den Wahlkampf der FSLN zu spenden.
Kurt Wittenberg, Hamburg 61
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