: Zehn Thesen gegen Atommüll
■ Zum Reformationstag: ungewöhnlicher Protest an 43 Kirchentüren / Kampagne in Lüchow-Dannenberg
Gorleben (taz/dpa) - Ungewöhnlicher Protest in Lüchow -Dannenberg: Die Pastoren der evangelischen und katholischen Kirche haben - pünktlich zum Reformationstag - zehn Thesen zum aktuellen Atommüll-Skandal angeschlagen. Das Wort der Pastoren war an den Türen aller 43 Kirchen im Landkreis zu lesen. Konkret wird darin der geplante Bau der sogenannten Pilot-Konditionierungsanlage für Atommüll kritisiert. In der Anlage sollen hochradioaktive Brennelemente zerschnitten und zur Einlagerung verpackt werden. Von 1994 bis 1999 sollen hier im „Probebetrieb“ jährlich 35 Tonnen bestrahlter Brennstoffe verarbeitet werden. Vom Jahr 2000 an ist eine Produktion von 350 Tonnen pro Jahr vorgesehen. Gegen den geplanten Bau haben 12.500 Bürger Einspruch erhoben.
Die Pastoren wollten mit ihrer Aktion zur „Reformation der kirchlichen Auseinandersetzung“ mit den Bedrohungen durch den technischen Fortschritt aufrufen. Ihre Thesen beginnen mit dem Satz: „Die Menschheit befindet sich in einer Krise. Die Katastrophe nistet sich schleichend ein.“ In Lüchow -Dannenberg manifestiere sich diese Katastrophe durch das geplante Atommüll-Endlager und die Konditionierungsanlage in Gorleben. „Weil nur begrenzte Zeit zur Vergügung steht, gilt es jetzt, die Gewissen zu schärfen und zu fragen, ob der Zeitpunkt gekommen ist, daß man öffentlich widerstehen muß“, beenden die Pastoren ihre Thesen.
Zugleich traten am Dienstag 26 Organisationen mit einer politischen Erklärung gegen die Konditionierungsanlage an die Öffentlichkeit. Von Jusos über den FDP-Ortsverein Hitzacker, den SPD-Bezirk Ostheide bis hin zu autonomen Gruppen und der „alten“ Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg reicht der Schulterschluß. Das Bündnis richte sich, wie BI -Sprecher Wolfgang Ehmke erklärte, gegen „die permanente Täuschung der Öffentlichkeit über den Charakter der geplanten Fabrik“. Mit der PKA Fortsetzung auf Seite 2
werde der Standort Gorleben als nukleares Entsorgungszentrum zementiert. Die Pilotanlage sei, so müsse befürchtet werden, nur die erste Stufe für die Konditionierung im großtechnischen Maßstab und in europäischen Dimensionen, sagte Ehmke. Die Baugenehmigung solle noch in diesem Jahr erteilt werden, stehe also unmittelbar bevor.
Die Baubehörde in Lüchow will unterdessen die neue Protesthütte der Atomgegner unweit des Zwischenlagers und in Nachbarschaft zur ge
planten Konditionierungsanlage abreißen lassen. Das „formell und materiell baurechtswidrig“ errichtete Gebäude beeinträchtige die „natürliche Eigenart der Landschaft“, wurde den Atomgegnern mitgeteilt. Das Bauwerk könne leicht Vorbildfunktionen bekommen, heißt es weiter, wodurch „weitere bauliche Anlagen dieser Art in diesem Geländebereich illegal entstehen, so daß eine Verfestigung derartiger illegaler baulicher Anlagen im Außenbereich zu befürchten ist“. Die BI hat die Stellungnahme angesichts der festungsartigen Atomanlagen im Landkreis als absurd zurückgewiesen. Um dem Baurecht Genüge zu tun, würden jetzt Mohrrüben und Kastanien ausgelegt - die Schutzhütte als Futterplatz.
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