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Aber Karstadt bleibt noch zu

■ Kurz vorm fünften „Dienstleistungsabend“ gaben auch die „Horten„-BetriebsrätInnen nach

19 zähe Stunden lang haben bei „Horten“, beziehungsweise bei „Galeria Horten“, wie sich das Unternehmen seit Montag in Bremen nennt, BetriebsrätInnen mit der Geschäftsleitung verhandelt. Dann teilten gestern die GewerkschafterInnen der Belegschaft in kleinen Gruppen mit: Ab sofort und mindestens bis zum 31. Dezember hat die „Galeria Horten“ an Donnerstag Abenden bis 20.30 Uhr geöffnet. Für 1990 muß neu verhandelt werden. Zu den komplizierten Sonderregelungen, die die BetriebsrätInnen bei dem Kompromiß herausgeholt haben, erklärte Betriebsrat Lienkamp: „Wir können mit dem Ergebnis leben“. Es liege „einen Tack“ über dem, was andere Horten -Belegschaften erzielt hätten. Das Ergebnis liegt jedoch auch etliche „Tacks“ unter dem, was BelegschaftsvertreterInnen in anderen Betrieben ausgehandelt haben. Im Durchschnitt waren in Bremen „hundertprozentige Zuschläge“ und etliche freie Wochenenden (oder „Freizeitblöcke“) erstritten worden. Das heißt, daß jede, die Donnerstag abends zwischen

18.30 und 20.30 Uhr arbeitet, nicht nur zwei, sondern vier Arbeitstunden aufgeschrieben bekommt - und sich Anrechte auf frei Samstage verschafft. Bei Horten konzentrierten sich die BetriebsrätInnen darauf, einen Kündigungsschutz zu erreichen für diejenigen MitarbeiterInnen, die bei der neueröffneten „Galeria Horten“ zusätzlich eingestellt worden sind. Ergebnis: Auch wenn das „Galeria„-Konzept nicht aufgeht, diese MitarbeiterInnen dürfen nicht einfach wieder rausgeschmissen werden. Weiteres Ergebnis: Der Freizeitausgleich für die SpätschichtlerInnen an Donnerstagen läuft nach der Formel: 1 1/2 freie Tage für 4 späte Donnerstage. Ein Ergebnis, daß so manche Verkäuferin auch nach Einschätzung der BetriebsrätInnen zu der Frage bringen

wird: „Wofür habe ich eigentlich gestreikt?“ Noch Ende Oktober stimmten 82 Prozent der Horten-Befragten gegen das Arbeiten am „Dienstleistungsabend“.

Mit „Horten“ ist das vorletzte der größeren „Streikhäuser“ in der Obernstraße umgefallen. Nur bei „Karstadt“ bleiben die Türen noch dicht, hier wird die Auseinandersetzung am 14.11 vorm Arbeitsgericht ausgetragen. Das Ergebnis beim kleineren Streikhaus „Quelle“, wo die Verhandlungen auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats geführt wurden, war gestern nicht zu erfahren.

Die attraktivsten Ergebnisse konnten die BetriebsrätInnen bei C & A einfahren. Ihr Unternehmen ist nicht Mitglied im Arbeitgeberverband und dafür bekannt, daß es mit großzügigen Sozialleistungen aufwartet, „um Ruhe im

Betrieb zu haben“, wie es ein Betriebsrat formuliert. Das Angebot der Geschäftsführung, an dem die Belegschaft „nicht vorbei“ konnte: Die 37-Stunden-Woche gilt bei C & A schon seit dieser Woche (laut Tarifvertrag kommt die 37,5 Stundenwoche erst 1991), die Beschäftigten müssen nur an zwei Donnerstagen im Monat zur Spätschicht, alle vier Wochen haben sie wochenends gleich vier Tage hintereinander frei. Betriebsrat Weber: „Wir können uns in keiner Hinsicht beklagen. Sowas gibt's sonst nicht im Einzelhandel.“ Auch im kämpferischsten von allen, dem „Karstadt„-Betriebsrat, wird auf solch ein Ergebnis mit Neid geblickt: Inge van der Lieth: „Da ist wirklich was auf den Tisch gekommen.“

Barbara Debus

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