: Lawsons Rache
Der Exfinanzminister charakterisiert Thatcher / Generalabrechnung nach dem Rücktritt ■ Von Ralf Sotscheck
London (taz) - Als Finanzminister hat Nigel Lawson von der Opposition im britischen Unterhaus nie Applaus bekommen. Seit seinem von Premierministerin Margaret Thatcher provozierten Rücktritt vor einer Woche hat er als prominentester Hinterbänkler die Labour-Sympathien auf seiner Seite - besonders, wenn er wie am Dienstag scharfe Attacken gegen die „eiserne Lady“ reitet. In seiner ersten Rede seit dem Rücktritt mochte er sich eine Generalabrechnung mit Thatchers Führungsstil nicht verkneifen: „Wenn unser Regierungssystem funktionieren soll, muß der jeweilige Regierungschef Minister seines Vertrauens ernennen und sie dann in Ruhe ihre Politik machen lassen“, sagte er. Lawson widersprach der Premierministerin, die behauptet hatte, ihr Festhalten an ihrem Berater, Lawsons Erzfeind Alan Walters, habe keinen Einfluß auf den Rücktritt gehabt. Lawson: „Es war die Spitze eines schlecht verborgenen Eisbergs mit all dem destruktiven Potential, das Eisberge nun einmal haben.“ Thatcher verweigerte beharrlich die Antwort auf die Frage, warum sie Walters nicht entlassen habe. Ein ums andere Mal plapperte sie ins Unterhausmikrophon: „Berater beraten, Minister entscheiden.“ Nun war Lawson nicht mehr zu bremsen. Er enthüllte, daß er im letzten Jahr der Bank of England einen regierungsunabhängigen Status geben wollte, vergleichbar mit dem der Bundesbank. Thatcher war dagegen. Das Kabinett hatte davon offenbar nichts gewußt.
Thatcher nahm Lawsons Attacken äußerlich teilnahmslos hin. Dann fiel ihr auch noch ihr „Schoßhündchen“, Lawsons Nachfolger John Major, in den Rücken. Er bekräftigte Lawsons Forderung nach einem frühzeitigen Beitritt Großbritanniens zum Europäischen Währungssystem - ein rotes Tuch für die Premierministerin. Thatcher ist angeschlagen.
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