: Sinkende Chancen für Rot-Grün
Grünen-Vorstandssprecher Ralf Fücks attestiert seiner Partei den drohenden Verlust der „Politikfähigkeit“ und fordert die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols / Rot-Grün sei gegenwärtig kein „Hoffnungssignal“ mehr / taz-Gespräch zu den Perspektiven der Partei ■ Von Gerd Nowakowski
Bonn (taz) - Für eine Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols hat sich das Bundesvorstandsmitglied Ralf Fücks ausgesprochen. Die Grünen könnten sich eine „Unentschiedenheit nicht mehr leisten“. In einem Gespräch mit der taz zu den Konsequenzen des SPD-Übertritts Otto Schilys verwahrte sich Fücks gegen eine „rhetorische Revolutionsromantik“, die mit der Politik der Partei „längst nichts mehr zu tun hat“. Fücks sieht allerdings „keinen Grund, die kritische Distanz gegenüber der Nato-Bindung zu korrigieren; erst recht nicht anläßlich der faktischen Selbstauflösung des Warschauer Paktes“.
Eine „bekenntnishafte Systementscheidung“ zu Sozialismus oder Kapitalismus lehnt Fücks ebenfalls ab; aus der Entwicklung in Osteuropa ergäben sich jedoch neue Fragen für die Partei.
Der Weggang von Otto Schily offenbare eine „personelle und politische Verengung“ der Partei, sagt Fücks, der zugleich Sprecher des „Grünen Aufbruchs“ ist, der sich gleichermaßen gegen Realos und radikale Linke in der Partei abgrenzt. In Sachen Rotation fehle es an einer „praktikablen Lösung“. Notwendig sei sowohl eine „ständige Erneuerung als auch eine personelle Kontinuität“. Fücks bescheinigt der Partei zehn Tage vor dem Perspektivkongreß der Grünen in Saarbrücken, sie habe die „Politikfähigkeit“ im Sinne der Fähigkeit, die Themen zuzuspitzen, weitgehend verloren. Die innerparteiliche Diskussion sei „selbstgenügsam und selbstbezogen“ und eine „Lust an der Veränderung kaum spürbar“.
Nach seiner Einschätzung ist die Chance für ein rot-grünes Bündnis mit der SPD gesunken. Dies gelte, obwohl in der Bundesrepublik eine „neue Reform-Mehrheit herangereift“ sei, die durch die Entwicklung in der DDR noch unterstützt werde. Darin stecke auch eine „Herausforderung für offensives politisches Handeln“ in Richtung eines Demokratie-Schubs für die Bundesrepublik.
Bei der SPD, unter der „verkörperten Mutlosigkeit“ ihres Vorsitzenden Vogel, hätten sich die Optionen zu einem Zusammengehen mit der FDP oder einer großen Koalition verstärkt. Seiner eigenen Partei macht Fücks den Vorwurf, sie betreibe eine „Ignoranz der gesellschaftlichen Möglichkeiten“. Auch für die Grünen sei „Rot-Grün gegenwärtig kein Hoffnungssignal“ mehr für einen „historischen Kurswechsel“, sondern werde „fast wie ein kleineres Übel“ behandelt.
Für Fücks soll der Perspektivkongreß unter dem Titel „Was wollen die Grünen - was bringt Rot-Grün?“ den Anspruch bekräftigen, die gesellschaftliche Zukunftsdiskussion in der Bundesrepublik zu bestimmen. Er erwartet mehr als das unverbindliche „Palaver“, von dem der Wortführer des „Linken Forums“ Ludger Volmer sprach. Nach Otto Schilys Weggang aus der Partei sei der Kampf um die Meinungsführerschaft „um so wichtiger“. Für die parteiinterne Diskussion sei der Kongreß außerdem das einzige „Forum zur strömungsübergreifenden Willensbildung“ vor den Programmentscheidungen der Bundestagswahl.
Die Diskussion über die Entwicklung in der DDR und Osteuropa unter dem Titel „Umbruch im Osten - Im Westen nichts Neues?“ soll nach Fücks‘ Wunsch stärker in den Mittelpunkt rücken. Zugleich befürchtet er einen „ideologischen Schaukampf“ bei der Diskussion der Thesen Joschka Fischers zum ökologischen Umbau des Kapitalismus, aber nicht den von vielen erwarteten spektakulären Auszug der radikalen Linken um Thomas Ebermann aus der Partei.
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