: Poker um Rüstungs-Arbeitsplätze
■ Technologie-Projekte sollen aus Bremen abgezogen werden / Betriebsräte fordern Absicherung
SPD und Gewerkschaften lehnen die Fusion MBB-Daimler ab, dennoch werden die Stimmen der Arbeitnehmer und der Bundesländer Bremen und Hamburg in Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung von MBB am Freitag in Ottobrunn diese Fusion ermöglichen. Davon gehen auch die betroffenen Bremer Betriebsräte aus.
Wogegen sie allerdings Sturm laufen: Bis heute ist den Arbeitnehmer-Vertretern noch nicht mitgeteilt worden, was aus ihren Interessen in der neuen „Systemtechnik Nord“ wird. In dem geheimen Fahrplan der beteiligten Unternehmen, so berichtete gestern IGM-Vertreter und MBB-Betriebsrat Heinz Böcker, sei eine Verhandlung mit den Arbeitnehmervertretern nicht vorgesehen. Bis heute kennt die Gewerk
schaft den „Bewertungskatalog“ nicht, aus dem hervorgeht, wie die Zukunft einzelner Abteilungen geschätzt wird und wie die sozialen Verpflichtungen der MBB-Beschäftigten in dem Verkaufspreis des Unternehmensteils „Marine- und Sondertechnik“ zu Buche schlagen. Am Mittwoch haben die Betriebsräte und die Gewerkschaft deshalb einen Sondertermin mit dem Bremer Bürgermeister Klaus Wedemeier, der im Aufsichtsrat bei MBB Sitz und Stimme hat.
Die Betriebsräte haben die Befürchtung, daß bei der Zusammenlegung der verschiedenen Rüstungs-Abteilungen rationalisiert wird („Synergieeffekte“). Hinzu kommt, daß entscheidende Entwicklungs-Aufgaben dem Bremer Unternehmensbereich weggenommen werden sollen,
die in Zukunft auch für den nicht-militärischen Bereich interessant werden könnten. Konkret sollen einige Projekte von der „Deutschen Aerospace“ in München dem Bremer MBB-Werk weggenommen werden: Bei MBB war man mit Vorarbeiten für einen Raketenabwehr-Träger befaßt, durch den der Kampfwert eines Marinehubschraubers gesteigert werden soll. Die MBB -Spezialisten arbeiten an einer Radar-Signatur-Technik, mit dem sich Flugkörper gegen Radar tarnen können. Das Führungssystem Latan soll es Flugzeugen ermöglichen, unter dem Radarschirm quasi automatisch auf geografische Gegebenheiten zu reagieren. („Remscheid wäre damit nicht passiert.“) Im Bereich Marine- und Sondertechnik von MBB werden Sensoren für Flugzeuge entwickelt, es gibt ein Projekt DKD für digitale Bild- und Kartenauswertung (interessant etwa für die militärische Aufklärung). Für den Raketenwerfer RAM ist die lukrative „Systemführung“ schon im Vorfeld der Fusions-Verhandlungen in den Süden gegeben worden.
Der Jäger 90, davon geht inzwischen auch das Münchener Managenent aus, wird nach dem Prototyp nicht weiter gebaut werden. Also muß der Bereich Sonder- und Marine-Technik jetzt schon die Technologie für zivile Alternativen entwickeln. Böckler: „Wenn man sich bei den Sahnestückchen bedient - was bleibt uns dann an Arbeit? Womit sollen
wir die Leute dann beschäf tigen?“
Jörg Fischer, Betriebsrat und Leiter des Arbeitskreises Rüstungskonversion bei MBB, sieht sich gerade durch die aktuelle Entwicklung in der Auffassung bestätigt, daß zivile Aufgaben besser die Arbeitsplätze sichern. „Wir problematisieren, daß man sich bei den absehbaren Einbrüchen im militärischen Bereich nicht genügend um zivile Dinge kümmert.“
Verhandlungsführer Böcker findet es allerdings „verfrüht“, jetzt über die Folgen der Abrüstungs-Bestrebungen nachzudenken. Die Erklärungen der Bremer SPD seien „sehr leichtfertig“, weil sie dem Kampf der Betriebsräte um die Sicherung der Arbeitsplätze nicht nützen könnten.
K.W.
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