: Konsortien kosten immer Arbeitsplätze
■ Interview mit dem MBB-Betriebsrat Uwe Neuhaus über „Systemtechnik Nord“
Was wird denn unter den Kollegen bei MBB diskutiert über die Folgen der Fusion mit Daimler? Was wird über die Abrüstungs -Perspektiven angesichts des Umbruches in Osteuropa diskutiert?
Uwe Neuhaus: Vorrangig ist die existentielle Absicherung: Wie sicher ist mein Arbeitsplatz, mein Einkommen, wie sicher sind meine Sozialleistungen? Die Betriebsrente ist bei MBB relativ gut - ist sie abgesichert? Wie qualifiziert wird mein Arbeitsinhalt sein? Welche Karriere-Chancen habe ich bei dem neuen Unternehmen? Gehöre ich zu den Rationalisierungsopfern oder gibt es in dem neuen Konsortium eine berufliche Zukunft?
Und die politischen Fragen?
Neuhaus: Das neue Konsortium ist überwiegend ein Rüstungskonsortium. Es hat keine tragenden Standbeine in Zivilaufgaben. Viele Kollegen befürchten, daß sie bei einem Abbau von Rüstungsaufträgen nicht durch Zivilaufgaben abgesichert sind, es könnte sich schnell die Existenzfrage stellen.
Um welche sozialen Absicherungen geht es im einzelnen?
Neuhaus: Es gibt über 100 Betriebsvereinbarungen, das betrifft neben der Betriebsrente zum Beispiel die Weihnachtsgeldhöhe, die Gleitzeitregelung, eine vorzeitige Auszahlung des Urlaubsgeldes und vieles mehr. Wir hatten die Hoffnung, daß im Vorfeld über die politische Schiene diese Leistungen abgesichert werden. Dieses ist bisher nicht geschehen.
Sind Militäraufträge denn überhaupt ersetzbar durch zivile Aufträge?
Neuhaus: Beispielsweise ist die Technologie der Navigationssysteme, die Flugzeugen einen Blindflug über schwierigem Gelände ermöglichen, auch auf Schiffen für Schlechtwetterlagen verwendbar oder möglicherweise auch im Straßenverkehr. So gibt es diverse Möglichkeiten der Konversion. Die Frage ist: Wer bezahlt die Entwicklungsaufgaben, und wer ist der Käufer solcher Projekte? Der Staat müßte solche für die Menschheit wichtigen Entwicklungen in Auftrag geben.
Der IG Metall Arbeitskreis Alternative Produktion hatte im Betrieb immer eine Minderheitenposition. Ändert sich das derzeit?
Neuhaus: Aus nackter Existenz-Angst haben Kollegen Probleme mit diesem Arbeitskreis. Es gibt Leute, die mit Rüstungs -Aufgaben beschäftigt sind und befürchten, daß der Bund bei der Vergabe von Aufträgen diesen Standort weniger berücksichtigt. Das ändert sich aber rapide durch die derzeitige politische Entwicklung. Die Kollegen sehen, daß der Bund nicht in der Lage sein wird, weiter Milliarden für Rüstungsaufträge auszugeben.
Wie bewerten die Kollegen die Verhandlungsführung für die Systemtechnik Nord durch Wedemeier?
Neuhaus: Sicherlich unterschiedlich. Der Betriebsrat wollte ursprünglich, daß nur die Aufgaben aus diesem Unternehmen herausgegeben werden, die in der Hausmann-Auflage genannt sind, also die Marine- und Drohnen-Technik. Davon wären 300 Kollegen betroffen gewesen. Der Bürgermeister hat von vornherein sich der Auffassung der Leitung des Unternehmensbereichs „Marine-und Sondertechnik“ (UM) angeschlossen, den gesamten UM-Bereich zu veräußern.
Der Bürgermeister ist stolz auf dieses neue Konsortium „Systemtechnik Nord“, das immerhin seinen Sitz in Bremen haben soll.
Neuhaus: Sicher. Kommunalpolitiker möchten gern den Sitz von Firmen und Technologiezentren in ihrer Stadt haben, schon wegen der Steuereinnahmen. Aber es zeigt sich, wenn morgen auch Wedemeier im MBB-Aufsichtsrat er Fusion zustimmt ohne Absicherung der Sozialleistungen und Garantien für die Arbeitsplätze, daß seine Möglichkeiten gering sind. Durch jede Bildung von Konsortien wird ein Rationalisierungspotential frei, was Arbeitsplätze kostet. Wir müssen unsere Interessen hier am Standort mit der Kraft der Gewerkschaften und der Belegschaft durchsetzen.
Int.: K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen