: Keineswegs angeschimmelt
■ Der Ex-Hüsker-Dü-Gitarrist und Sänger Bob Mould im Modernes
Ein Journalist nannte unlängst das erste Soloalbum des Amerikaners Bob Mould „eine wunderbar gelöste Gratwanderung zwischen intellektuellem und musikalischem Anspruch und der Kommerzialität emotional packender Songperlen“. Von der wunderbar gelösten Beliebigkeit, mit Worten etwas ausdrücken zu wollen, einmal abgesehen, hat der Kollege einem richtigen Gespür auf die verbalen Sprünge helfen wollen. Immerhin handelt es sich bei Mould um ein Ex -Bandmitglied der Hardcore-Kultband Hüsker Dü. Von Songperlen konnte bei ihnen keine Rede sein. Wuchtiges Song -Urgestein käme einer Beschreibung näher. So lag im Auftritt des Gitarristen, der sich im Modernes vorstellte, zumindest Spannung. Hart oder nicht hart, das war die Frage.
Bevor es an die Beantwortung dieses stilistischen Problems gehen konnte, unterhielten zwei Herren (git'voc; drums) das Auditorium, die auf den Namen House of Freaks hörten. Fetzig und rockig spielten sie die Ohren des Publikums warm. Für ein Duett war das beachtlich.
Der Star des Abends gab sich dann gar nicht so, wie es sein Name vielleicht vermuten ließ, nämlich schimmelig. Die Entzugskur auf einem Bauernhof schien Mister Mould gut bekommen zu sein. Erschlankt und souverän präsentierte er sich den ZuhörerInnen. Als der auch diesmal unvermeidliche Bühnennebel seine Hosen umwehte, wurde es dem Mann aus Minnesota kurzzeitig zuviel. „Es gibt genug Umweltverschmutzung auf der Welt, mehr brauchen wir nicht“, er
klärte er und zog wieder an seinen Saiten. Im Verein mit Jim Harry dominierten die Gitarren den Vortrag, unterstüzt durch den unauffälligen aber überaus präzisen Pere Ubu -Bassisten Tony Maimone und den treibenden Schlägen des Schlagzeugers Anton Fier. Live gab sich das Quartett entschieden schneller, als es die Platte vermuten ließ, allerdings mit balladigen Einschüben und soften Passagen mit Akustikgitarren.
Im mittelprächtig gefüllten Saal wurde es mit zunehmender Spieldauer immer lauter und das lag an einer Dramaturgie, die nur allzu bekannt ist und an der auch Bob Mould nicht vorbeizukommnen schien. Nach einem moderaten Beginn verstärkte sich der Phonpegel zuhörends zu einem Klanggewitter und schon waren
die deftigen Ursprünge Hüsker Düs unverkennbar.
So war es nicht verwunderlich, daß das gut eingespielte Kollektiv gegen Ende richtig vom Leder zog. Kein wohlig rollender Beat mehr und kein zurückgenommenes Saitenspiel, sondern jaulende Gitarren im Stile der siebziger Jahre mit gehackten Sequenzen Jim Harrys verbreiteten ein eindrucksvolles Sound-Spektakel. Den Abschluß bildete ein schnelles Punkstück, extrem laut und definitiv. Diesen Ablauf kennen wir auch von anderen Bands. im Falle Bob Moulds erschien es logisch und konsequent. Das Publikum war zufrieden, der Musiker keineswegs angeschimmelt und beim nächsten Mal wird es ganz bestimmt wieder spannend.
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