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„Männern die Essensmarken ...

■ ... verteuern“ und an der Uni eine Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt finanzieren

Die Veranstaltung fand in der Bremer Universität statt, das Thema jedoch hatte zunächst nicht direkt mit der Hochschule zu tun. Es hieß: „Vergewaltigung - Was tun gegen die Täter?“ Als Referentinnen geladen hatte das „Feministische Frauen -und Lesbenreferat“ zwei Therapeutinnen, eine Rechts-und eine Staatsanwältin. Zwischen den Sätzen klang allerdings schnell durch, daß die Veranstaltung sehr viel mit der Universität zu tun hat. Und zwar mit einem brutalen Vorfall, der sich auf einer Uni-Fete ereignet und die Frauenszene gespalten hatte. Damals hatte nach einer versuchten Vergewaltigung das Opfer den Namen des Täters nicht nennen wollen, diese betroffene Frau fürchtete die nachfolgende entwürdigende Prozedur durch Polizei und Justiz. Andere Frauen hatten ihren Wunsch nach Zurückhaltung nicht respektiert, den mutmaßlichen Täter ausfindig gemacht und ihn durch Flugblätter in seinem Wohngebiet denunziert. Diese - strafbaren - Ereignisse kamen auf der Veranstaltung nur

indirekt und in Andeutungen zur Sprache. So betonte gleich die erste Referentin, die Staatsanwältin für Vergewaltigungsdelikte Claudia Traub: „Ich bin für ein rechtstaatliches Verfahren. Ich will, daß diesen Tätern der Prozeß gemacht wird.“ Die zweite Fachfrau, die feministische Anwältin und Rechtstheoretikerin Jutta Bahr-Jendges, äußerte sich ähnlich: „Ich will die Prozesse gegen die Täter haben. Ich will mir die Mittel des Strafrechts nicht aus der Hand nehmen lassen und ich kämpfe um eine Neugestaltung von Rechtsbewußtsein.“ Selbst in den Fällen, in denen sie vor Gericht als Vertreterin der Nebenklage einen prozessualen Freispruch des Täters nicht habe verhindern können, würden ihre Mandantinnen übereinstimmend sagen: „Es war gut, daß wir hier waren.“ Denn der Täter sei in der Verhandlung als Täter klar kenntlich gemacht worden.

Die beiden Therapeutinnen gingen auf das Thema „Selbstjustiz ja oder nein“ nicht ein, wandten sich jedoch dagegen, die Täter zu mystifizieren. Barbara Koch (forensische Abteilung des Krankenhauses Bremen-Ost) sagte über ihre „schwer seelisch gestörten“ Klienten: „Geringe Frustrationen lösen bereits Todesängste aus. Sie versuchen ihr männliches Selbstwertgefühl auf Kosten von Frauen zu stabilisieren.“ Karin Kaltenberg, die als Therapeutin mit den Opfern arbeitet, berichtete, keine ihrer Klientinnen habe den Täter angezeigt. Denn die Frauen hätten oftmals die Tat und die damit verbundenen Gefühle verdrängt, und selbst wenn ihnen die Tat bewußt sei, fürchteten sie, auf Polizeirevieren und in Gerichtssälen erneut zum Opfer zu werden. Kaltenberg: „Mir fällt bei Frauen ein

gewisser Fatalismus gegenüber Männergewalt auf.“ Kaltenberg weiter: „Jede vierte Frau hat als Kind sexuelle Gewalt erlebt. Ich kenne nur Frauen, die das Problem der sexuellen Gewalt kennen. Und ich kenne nur Männer, die es nicht gewesen sind.“ Sie sprach sich dafür aus, eine Situation zu schaffen, in der die Opfer sich trauen, ihr Schweigen zu brechen. Mehrere Rednerinnen forderten, eine Anlaufs-oder Beratungsstelle an der Universität zu gründen, an die betroffene Frauen sich wenden könnten. Für das Finanzieren dieser Beratungsstelle war auch gleich eine Finanzquelle aufgetan, der spontane Finanzierungs-Vorschlag aus dem Publikum lautete: „Allen Männern zwanzig Pfennig auf die Essensmarke draufschlagen.“

Die Idee einer Beratungsstelle war bereits vor Monaten geboren worden. Doch hatten Differenzen unter den Studentinenn und Dozentinnen dazu geführt, „daß die Power raus ist“, wie sich Sieglinde Gränzer vom „Frauen-und Lesbenreferat“ ausdrückte. Dem Frauenreferat würden des öfteren „meistens über fünf Ecken“ sexuelle Übergriffe zugetragen, doch sei den betroffenen Frauen nicht daran gelegen, den Täter-Dozenten öffentlich mit Namen zu nennen. Sieglinde Gränzer nannte ein Beispiel: „Ein Dozent fällt eine Studentin bei sich zu Hause im Flur an und küßt sie ab. Die Frau ist geschockt. Dann arrangiert sie sich mit ihm, weil sie die Prüfung bei ihm machen will. - Die Frage ist: Welche Arten von Abhängigkeit gibt es hier, die verhindern, daß es öffentlich wird?“

Einen weiteren, gravierenderen Fall deuteten Frauen aus dem Publikum an. Ein Dozent im Studiengang Behindertenpädagogik vergreife sich in seiner Praxis an

Klientinnen, bis hin zu Vergewaltigungen. Doch auch hier wollten die betreffenden Studentinnen nicht, daß der Name des Dozenten öffentlich genannt werde. Nachdem Uni-Frauen schon einmal einen Täter gegen den Wunsch des Opfers verfolgt hätten, wollten sie diesmal nichts gegen den Willen der Betroffenen unternehmen, erklärte eine aktive Studentin aus dem Studiengang Behindertenpädagogik. Außerdem könne der betreffende Mann mit einer Verleumdungsklage reagieren. Darauf die Anwältin Bahr-Jendges: „Wir sollten wegkommen, von diesem 'Als Frau kann man sowieso nichts machen‘. In Berlin hat ein Professor Verleumdungsklage erhoben. Daraufhin haben die betroffenen Studentinnen den Wahrheitsbeweis angetreten und ihre Namen genannt.“ Claudia Traub ergänzte: „Die Männer fürchten die Öffentlichkeit, wie der Teufel das Weihwasser.“ Eine Studentin machte ihren Kommilitoninnen Mut zur phantasievollen Gegenwehr. Sie berichtete von einer nachahmenswerten Aktion aus Hannover: Ein Professor an der Universität Hannover hatte die Angewohnheit, mit Studentinnen Verhältnisse anzufangen und abrupt wieder zu beenden. Die Frauen fühlten sich ausgenutzt, taten sich zusammen und schickten dem Professor zu Weihnachten ein Paket. Auf einer freundlichen Grußkarte baten sie ihn, das Geschenk erst unter dem familiären Weihnachtsbaum auszupacken. Der Professor folgte der Bitte, war aber bass erstaunt, als er eine aufblasbare Sex-Puppe aus dem Geschenkpapier zog. Die weihnachtliche Stimmung war hin. Wenige Tage später verließ ihn seine Frau. Barbara Debus

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