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Das Sprungbrett für West-Ärzte

■ Der westliche Medzinermarkt ist überlaufen - der Ärztenachwuchs sieht nun im Osten Weiterbildungsmöglichkeiten / „Schnelle Hilfe für die DDR? Nur ein Lippenbekenntnis“, meint ein Jungmediziner aus West-Berlin

Die pure Nächstenliebe zu den „Brüdern und Schwestern aus dem Osten“ gehört meist nicht zu den Motiven, weshalb sich rund 650 ÄrztInnen gegenüber der Berliner Ärztekammer bereit erklärten, künftig in der DDR arbeiten zu wollen. „Schnelle medizinische Hilfe für die DDR - das ist doch nur ein Lippenbekenntnis!“ Gerald Krüger macht keinen Hehl aus seinen Beweggründen: Nach zweieinhalb Jahren ärztlicher Tätigkeit in der Charlottenburger Neurochirurgie will er sich in der „Hauptstadt“ zum Facharzt für Nervenheilkunde ausbilden lassen. Denn: Der westliche Medizinermarkt ist hoffnungslos überfüllt, und Weiterbildungsstellen entsprechend rar. Viele ÄrztInnen sehen nun die DDR als Sprungbrett zu kontinuierlicher Weiterbildung, die ihnen hier verwehrt oder zumindest erschwert wird. Dies gilt auch für den 32jährigen Bernd Klemeyer, dessen Vertrag mit dem Krankenhaus Neukölln nach anderthalbjähriger Tätigkeit auf der Inneren Abteilung Ende des Jahres ausläuft. Über 200 Bewerbungen in der BRD und West-Berlin blieben ohne Erfolg, nun will Klemeyer sein Glück in Ost-Berlin versuchen ebenfalls in Form einer Weiterbildung zum Facharzt. „Haben sie den Facharztbrief dann erstmal in der Tasche, werden sie schleunigst wieder gen Westen eilen“, schimpft Ute Rehberg, HNO-Ärztin im Ostberliner Krankenhaus Friedrichshain: „Für uns wäre es überhaupt keine Hilfe, wenn wir westliche Ärzte zur Weiterbildung bekämen - das würde das Gesundheitswesen in der DDR nur noch weiter destabilisieren.“ Dringend gebraucht werden dagegen qualifizierte Fachärzte und Allgemeinmediziner mit grundlegenden Erfahrungen in Chirurgie, Innerer Medizin und Frauenheilkunde. Doch solche finden sich nur ganz vereinzelt unter den 650 „freiwilligen“ HelferInnen. Dies habe Gründe, meinte Roland Bersdorf, Pressesprecher der Berliner Ärztekammer, schließlich habe man „speziell Berufsanfänger und Arbeitslose angesprochen“. Bei gezielter Nachfrage ließen sich sicher auch Fachärzte finden. Eine Einschätzung, die Rehberg nicht teilt: „Wer läßt sich schon freiwillig mit 1.500 Ostmark abspeisen, wenn er bereits auf einem mit 4.000 DM gut gepolsterten Facharztposten sitzt?“ Die Frage der Finanzierung von West -Ärzten im Osten erhitzt schon jetzt die Gemüter in Ost und West: Erst kürzlich drohten Ostberliner Ärzte mit Streik, sollten ihre westlichen KollegInnen in der DDR etwa mehr verdienen als sie selbst. Noch ist die Lohnfrage völlig ungeklärt: In der Diskussion befindet sich ein Modell, wonach die West-Ärzte das DDR-übliche Gehalt in Ostmark erhalten. Für den Unterhalt der im Westen bleibenden Familien, für die Wohnungsmiete und Sozialversicherung will die Bundesregierung einen Ausgleich zahlen. In welcher Höhe ist noch völlig unklar, genauso wie die Frage, in welchem Verhältnis die West-Ärzte ihre Ostmark wieder umtauschen können. Konkreter abgesteckt wurden dagegen bereits die Finanzierungsmöglichkeiten für arbeitslose Ärzte ohne Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung: Sie erhalten von der Senatsverwaltung für Arbeit eine Qualifikationsbeihilfe in Höhe von 1.100 DM und bekommen ihre Sozialversicherung bezahlt.

Näheres über Finanzierungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen in der DDR erfahren alle interessierten West-Ärzte heute ab 16 Uhr im großen Hörsaal des Klinikum Charlottenburg, Spandauer Damm 130.

Martina Habersetzer

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