piwik no script img

KONTAKTE, KOMMUNIKATION, WEITERBILDUNG

■ Forderungen gefangener Frauen aus Lübeck

Am 6. Oktober 1989 haben wir uns endlich dazu entschieden, die veralteten Vollzugsmethoden der JVA Lübeck nicht länger stillschweigend hinzunehmen. Wir erstellten einen Forderungskatalog, der sowohl an die Leitung der JVA, ans Justizministerium Hamburg und Schleswig-Holstein sowie an den Anstaltsbeirat ging.

Unsere Punkte sind:

1. Öffnung der Türen aller Strafgefangenen sowie Freigabe der Einbauküche zur Benutzung

Im Gespräch ist dieser Punkt von seiten der Leitung schon seit einem Jahr. In der Frauenabteilung sind in zwei von drei Stationen Strafgefangene untergebracht. Eine Station (III) hat seit längerem offene Türen sowie eine Küche.

Unsere Station (II) wird unter Verschluß gehalten. Die Stationsküche wird hauptsächlich von den Kalis sowie den Beamten benutzt.

2. Ausdehnung der Freistunde. Sie soll nicht an starre Zeiten gebunden sein, besonders an Wochenenden

Inzwischen wurde die Freistunde wochentags von 16 bis 17 Uhr auf 14 bis 17 Uhr ausgedehnt. Der Haken dabei ist, daß von 14 bis ca. 15.30 Uhr nur die Nichtarbeitenden in den Mehrgenuß kommen.

An den Wochenenden haben wir nur zwei Freistunden bekommen, jeweils eine am Vor- und Nachmittag, weiterhin an starren Zeiten, das heißt, wenn es regnet, fällt sie aus.

3. Aushändigung der privaten Bekleidung

Seit Urzeiten wird hier in der Regel in Strafhaft die private Kleidung abgenommen. Da wir noch nicht einmal neue Bekleidung erhalten, sind diese oft veraltet, nicht in der Größe passend, unhygienisch und mit den Ausdünstungen der Vorträgerin behaftet sowie in der Anzahl zu knapp bemessen. Regenbekleidung fehlt gänzlich.

4. Freier Zugang zu einzurichtenden Fernsprechern

Dieser war auch seit etwa einem Jahr im Gespräch. Aber es haperte angeblich an der technischen Realisierung. Nun ist ein Kartentelefon eingerichtet worden, allerdings im offenen Flur, ohne Kabine oder Sprechschutz.

Die Austeilung der Karten ist noch nicht erfolgt. Übrigens: Das bisherige Telefonieren beschränkte sich auf einmal monatlich.

5. Abschaffung der Briefkontrolle

In der Regel wird jeder ein- oder ausgehende Brief von den gerade diensthabenden Beamten gelesen. Intimsphäre gleich Null. Selbst die eingehende Behördenpost wird ohne Beisein geöffnet.

6. Eine Möglichkeit für kindgerechten Besuch soll geschaffen werden

Einen Besuchsraum haben wir Frauen nicht. Besuch wird in der Eingangshalle abgehalten. Er wird durch Laufereien und Geschlüssel gestört.

Die Kinder müssen durch etliche Türen geschlossen werden. Es existiert zwar ein „nett“ eingerichteter Raum (für mehrere Zwecke verwendbar), aber bis zum Hingelangen würden die Kinder die Knastatmosphäre deutlich gespürt haben.

7. Regelmäßige im voraus festgelegte Sprechzeiten der Anstaltsleitung

Bis dato ist es so, daß an Anträge sich oft wochenlange Wartezeiten anschließen.

8. Für die Frauen soll ein angemessenes Angebot an Ausbildungsplätzen und Fortbildungsmaßnahmen gestellt werden.

Bis auf Haupt- und Realschulabschluß bestehen keine weiteren qualifizierten Angebote. Die derzeit angebotenen Arbeitsplätze (ausschließlich Anlerntätigkeiten) sind dazu noch eintönig und unterbezahlt.

9. Der Einkauf müßte in kürzeren Abständen erfolgen.

Jeden dritten Dienstag im Monat ist Einkauf, also in Abständen von vier bis fünf Wochen. Damit ist ein Kauf von vitaminhaltiger, frischer und leicht verderblicher Kost über eine Dauer von vier bis fünf Wochen unmöglich.

Eine Kühlschrankbenutzung für die geschlossene Abteilung ist nicht möglich; die offene teilt sich einen kleinen Kühlschrank etwa mit 20 Personen.

10. Die Zellenböden sollen mit PVC oder ähnlichem ausgelegt werden.

Tatsache ist, daß hauptsächlich die Beamtenbüros etc. ausgelegt sind. Unsere Böden sind geschwärzte Steinfußböden.

11. Das Licht soll nach eigenem Ermessen ausgeschaltet werden können.

Um 23 Uhr muß das Licht gelöscht werden.

12. Freier Zugang zur Bücherei

Die Bücher können nur über Katalog gewählt werden. Dies setzt Kenntnis über den Inhalt voraus.

13. Den Saal der Station III wollen wir zur freien Verfügung und Gestaltung haben.

Dieser Saal ist größtenteils unbenutzt und leerstehend.

Bis auf Punkt 2. und 4. ist bisher keine Forderungen auch nur annähernd entsprochen worden. Auch sonstige Reaktionen kamen von keiner der angeschriebenen Stellen. Es wird viel von Behandlungsvollzug, Angleichung an das normale Leben, Resozialisierung etc. gesprochen, nur an der Umsetzung hapert es kräftig. Viele unserer Punkte sind weder neue Themen noch abstrakte Forderungen.

Bei 23 Stunden Einschluß ist keine Möglichkeit der Kommunikation gegeben, außer in der Freistunde oder dem sonntäglichen Umschluß. Der Personenkreis wird eingeschränkt, da die offene mit der geschlossenen Station keinen Umschluß machen darf.

Wir wollen uns mit leeren Versprechungen nicht länger hinhalten lassen. (...)

Wir sind bereit, uns weiterhin auch verstärkt für unsere Bedürfnisse einzusetzen. Über Reaktionen und Unterstützung würden wir uns sehr freuen.

Martina Ehlers, Kirsten Roß, B.Schröder, Lübeck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen