: „Wie Gott in Frankreich“
Die „Autonome Aktion Prenzlauer Berg“ kritisiert das Wegfallen von Zwangsumtausch und Visumpflicht ■ D O K U M E N T A T I O N
Was passiert, wenn zum jetzigen Zeitpunkt Mindestumtausch und Visumpflicht für alle Bundesbürger entfallen?
Jeder Sozialhilfeempfänger aus dem Westen kann dann ohne Anmeldung in der DDR wie „Gott in Frankreich“ leben. Jeder Arbeiter, der in der DDR für einen Bruchteil dieses Geldes schwer arbeiten muß, wird sich dann endgültig verscheißert fühlen. Das könnte der berühmte Tropfen sein, der das Faß zum Überlaufen bringt. Alle Versuche, dies auszugleichen, würden zu einer Superinflation führen.
Wir leben momentan in einer äußerst gefährlichen, labilen Situation. Die Regierung ist überfordert und ohne reale Macht. Die Opposition konnte sich noch nicht profilieren. Große Teile des Volkes glauben an das Wunder der Wiedervereinigung, das alle Probleme löst. Das führt unter anderem auch zu Massendemonstrationen für „Großdeutschland“.
In dieser Situation, wo für alle sichtbar die Zeitbombe tickt, kann diese Regelung der Zünder sein, der die Explosion auslöst. Streiks, der offene Ausbruch von Gewalt unter kräftiger Mitwirkung der Westfaschos, die sich dank der neuen Regelung ungehindert auf dem Gebiet der DDR bewegen könnten.
Wir rufen alle politischen Gruppen und jeden an der Zukunft dieses Landes interessierten Bürger auf, sich für eine Verschiebung dieses Abkommens einzusetzen, denn es ist zum jetzigen Zeitpunkt fehl am Platze.
Wenn die Regierung weiterhin mit so leichter Hand Verträge unterschreiben kann, dann brauchen wir am 6. Mai 1990 nicht mehr zu wählen, weil es dann nichts mehr zu wählen geben wird!
Wir verlangen, daß jeder internationale Vertrag vor seiner Ratifizierung zur Diskussion gestellt wird!
Wir wollen nicht in die Kohlsuppe rein!
Kontakte: „Autonome Aktion Prenzlauer Berg, Fehrbelliner Straße 7, 1054 Berlin, Jugendklub C29 („Konrad Wolf“), Rosa -Luxemburg-Straße 27, 1054 Berlin, (282 49 20, Steffen Heinrich).
Damit noch rechtzeitig etwas geschieht, schlagen wir ein Treffen von Vertretern aller am „runden Tisch“ beteiligten Organisationen und Parteien zu einem „kleinen runden Tisch“ am 17. Dezember 1989, 17 Uhr, im Jugendklub C29 vor.
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