: Herrhausen-betr.: "Bankchef Herrhausen ermordet", taz vom 1.12.89 / Ihr könnt uns mal, Genossen / Klammheimlich schweigen / betr.: "Bodenlos (Der Bekennerbrief der RAF), Kommentar von Max Thomas Mehr / Der Terrorismus ist tot, das Morden...
betr.: „Bankchef Herrhausen ermordet“, taz vom 1.12.89
Der Anschlag, der Alfred Herrhausen tötete und seinem Fahrer schwerste Verletzungen beibrachte, war sicher von langer Hand vorbereitet. Er wirft all die auf humanitären Gleisen laufenden Bemühungen zurück. Noch mehr Polizei- und Vollzugsbeamte, noch mehr BundesbürgerInnen werden nun ins REP-Lager driften. Ob mit dem Anschlag gegen die harte Haltung der Regierung zur Zusammenlegungsforderung protestiert werden sollte, ob man den Wirtschaftsboß treffen wollte oder gar glaubt, den Kanzler Kohl zu stürzen, wenn man seine Berater killt - all das gibt niemand die Berechtigung, Menschen zu töten und zu verletzen.
Heinz D.Trost, Stuttgart
Ihr könnt uns mal, Genossen
Ihr fuchtelt rum mit euren Knarren und wenn alle dann aufs Blutbad starre
seid ihr wieder mal die Größten denn ihr müßt nicht die Witwen tröste
ihr müßt nicht von vorn anfangen
auf unserm Weg, dem langen
zu Freiheit, Glück, Gerechtigkeit denn für euch zählt nur die Sendezei
von zerfetzten Leibern in der Tagesscha
ach, was seid ihr doch so schlau denn ihr ja habt die Wahrheit stets gepachte
und erst, wenn wieder ein Genosse schmachte
im Knast und hungert gegen Iso-Haf
ist gefragt auf einmal unsre Kraft
dann sollen all die blöden Liberalen
mal wieder eure Zeche zahlen.
Jörg Staiber, Idar-Oberstein
Klammheimlich schweigen
Was soll das, der Mord an Herrhausen? 1977 hatte die RAF den Tod von Ponto (damaliger Chef der Dresdner Bank) noch damit „gerechtfertigt“, daß er eigenltich hätte entführt werden sollen.
1977 hatte - nicht nur - der Göttinger Mescalero „klammheimliche Freudue“ über das Attentat auf Buback (damaliger Generalbundesanwalt) geäußert; damals wußte aber auch jeder - Freund wie Feind - warum das Attentat, warum gerade Buback...
Und jetzt? Was soll das? Wer will wem diesen Anschlag vermitteln? Es war ja wohl nicht das Werk eines Arbeitslosen, der seine Schulden bei der Deutschen Bank nicht zurückzahlen konnte.
Die Revolution braucht keine Henker!
Lutz, Bochum
Mit uns leben
große Mörder, kleine Mörder; dicke, dünne, alte oder junge Mörder
Selbstmörder.
Sie sind
Frauen-, Männer-, Kindermörder; Politiker-, Priester-, Soldatenmörder
Bankiers- und Lumpenmörder.
Mitmörder. Und es wird so lange kein Frieden sein
wie es uns Untiere gibt.
Otto, Heidelberg
(...) Ich verstehe unter links nicht morden, sondern diskutieren, kritisieren, sich Gedanken machen, neue Ideen entwickeln und sie vertreten und überzeugen für eine menschenfreundliche Gesellschaft ohne Gewalt. Und sowas kann man nicht mit Bomben erreichen. (...)
Patrick Kelly, Frankfurt am Main
So verabscheuungswürdig das Attentat auf Herrhausen sein mag, die Ursachen sind nicht seiner Person zuzuordnen. Vielmehr sollten die Politiker die Schuld bei sich suchen. (...) Empören durfte sich nur der, der keinen Dreck am Stecken hat. Nicht die „stolzen“ Politiker, die - wie sie es uns immer beweisen - Verschleierungstaktik verüben. Bei Untersuchungsausschüssen zum Beispiel die Celler-Loch -Affäre, Barschel-Affäre, U-Boot-Affäre, die Liste ist beliebig ausdehnbar.
Verabscheuungswürdig bleibt die Tat. Aber erst wenn die Politiker aufhören, die von ihnen regierte Bevölkerung für dumm zu verkaufen, wird solchen Taten ein Ende gesetzt. (...)
Paul Hudson, Hamburg
(...) Der fälschliche Glaube, mit dem Attentat auf Herrn Alfred Herrhausen eine politische oder wirtschaftliche Machtinstanz zerstört zu haben, wird mit Verhärtung und Machtzuspitzung zu bezahlen sein.
Während in der DDR demonstriert wird, wie auf andere Weise Veränderungen erreicht werden können, halten Vorfälle wie dieser an alten Feindbildern fest, die für die einen wie die anderen anscheinend beängstigend ins Wanken geraten.
Wenn man aber das Attentat als eine letzte Form von Kommunikation betrachtet, ist es nicht mehr ein bloßes Ereignis, sondern ein Produkt einer bestimmten Haltung. Der ausweglosen Ohnmacht des Opfers kann eine ebenso ausweglose Ohnmacht des Täters gegenüberstehen, die er nur durch das gewaltsame An-sich-Reißen der Macht überwinden kann.
Eine verschärfte Strategie des „Sicherheitsapparates“ gegenüber extremen Gruppen wird nicht die LÖsung sein, genauso wenig wie die von ihnen ausgeübte Gewalt zur Veränderung bestehender Strukturen. Vielmehr tut sich ein Teufelskreis auf, der kaum mehr aufzuhalten ist. Die Strategien staatlicher Institutionen müssen sich grundlegend in Richtung Offenheit, Information und Transparenz hin verändern, wenn sie einen Krieg gegen Extreme (links wie rechts) nicht mit Blutbädern gewinnen wollen.
Urs M. Richle
betr.: „Bodenlos“ (Der Bekennerbrief der RAF), Kommentar von Max Thomas Mehr,
taz vom 7.12.89
Der Autor vermeint Begriffe wie „Ausbeutung“, „Imperialismus“, „Völkermord“, „Hunger“ etc. als Leerformeln entlarven zu können. Solcherart Argumentation ist hinlänglich bekannt: zu oft zu hören von den Verursachern dieser genannten Erscheinungen. Extrem einfältig oder bodenlos zynisch erschiene uns Max Thomas Mehrs Position, wäre sie nicht dermaßen funktional für das System.
Inge und Thomas, Berlin
betr.: „Der Terrorismus ist tot, das Morden geht weiter“,
taz vom 1.12.89
Zunächst ein großes Dankeschön an die taz und M.T.Mehr. Nach anfänglichen Zweifeln bezüglich der RAF-Aktion hat mir sein Kommentar die Augen geöffnet:
Die Masche „Linksterrorismus? - Rechtsterrorismus?“ ist ja schon alt - aber darum geht es ihm ja auch nicht. Vielmehr um die „objektive politische Situation“, in der „Konfrontationslinien längst überwunden“ seien, womit aber eher die Sichtweise von Teilen der Linken deutlich wird, die sich in rosa-grüne Träume flüchten, als eben jene „objektive politische Situation“. Durch den „grundlegenden Abbau von Feindbildern in der politischen Kultur“ soll wohl Frieden geschlossen werden mit den imperialistischen Massenmördern zugunsten einer metropolen-chauvinistischen „Vision eines multikulturellen demokratischen Europas“.
Genau diesen Frieden stört die RAF, und das paßt nicht in das Weltbild von Leuten, die sich längst mit allem abgefunden haben und nun ihren eigenen Hirsebrei darauf kochen wollen.
Und Herrhausen steht nicht nur für imperialistische Macht und Profitinteressen, Hunger und Völkermord, sondern gerade auch für die „Neue Linie“ (Schuldenerlaß etc.), von der sich bestimmte Linke den Blick verkleistern lassen für die realen Unterdrückungsmechanismen in der ganzen Welt.
Es ist an der Zeit, daß sich die revolutionären Kräfte der Linken zusammenraufen, um eine reale Kraft zu werden, die das imperialistische Machtgebäude zum Wanken bringt.
M.T.Niemehr, Ruhrgebiet
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