: Angst um die Billigjobs
■ Immigrantinnen bekommen den neuen Konkurrenzdruck und wachsende Ausländerfeindlichkeit seit der Maueröffnung am stärksten zu spüren
„Haut doch ab, wir brauchen euch nicht mehr!“ gehört zum neueren Repertoire ausländerfeindlicher Sprüche, die ImmigrantInnen auf der Straße oder in der U-Bahn zu hören bekommen. Warum man die Türken nicht nach Hause schicken könnte, „jetzt sind wir doch da“, fragen ganz unbefangen manche ÜbersiedlerInnen, die in Turnhallen auf Job und Wohnung warten. Die Situation auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt hat sich massiv verschärft, seit die Grenzen durchlässiger wurden. Der Druck lastet am schwersten ganz unten - auf den ausländischen Frauen.
Einer Einladung ins Frauenprojekt „Akarsu“, um einmal ausführlich über die Situation ausländischer Frauen seit der Maueröffnung zu reden, folgten allerdings nur wenige.
Gerade auf dem Arbeitsmarkt macht sich der neue Konkurrenzdruck spürbar. In den Putzkolonnen, in denen hauptsächlich ausländische Frauen arbeiten, sei das Tempo spürbar angezogen worden, berichtete eine Mitarbeiterin einer Beratungsstelle. „Wenn die Frauen sich wehren, heißt es: 'Sie können ja gehen, es gibt genug DDRlerinnen, die hier arbeiten wollen.'“ Entsprechend wütend kommentierten die Frauen im „Akarsu“ zum Beispiel die Anzeigenkampagne, mit der das Bundesinnenministerium um Verständnis und vor allem um Arbeitsplätze für Aus-und Übersiedler heischt.
„Da wird suggeriert, die machen die Arbeiten, die die Westdeutschen nicht mehr machen wollen“, empörten sich Frauen in der Diskussionsrunde. „Und das sind die Arbeiten, die bisher die AusländerInnen gemacht haben.“
Nicht nur der Ruf nach „einig Vaterland“ bereitete den Diskutantinnen Kopfzerbrechen. Bundesweit steht den ImmigrantInnen und Flüchtlingen ein neues, in wichtigen Bereichen verschärftes Ausländerrecht ins Haus - und in bezug auf die Ausländerpolitik des rot-grünen Senats fehlten Sevim Celebi-Gottschlichvom Immigrantenpolitischen Forum deutlichere Signale. „Jetzt müßten die verantwortlichen Politiker Zeichen setzen, ob sie eine neue Ausländerpolitik wollen.“
Mit organisiertem Protest und politischen Forderungen tut man sich (noch) schwer - das zeigte sich auch Donnerstag abend im „Akarsu“. Doch für eine erste Liste von politischen Forderungen reichte es allemal - von der doppelten Staatsangehörigkeit (der im neuen Bundesausländergesetz wieder eine Absage erteilt wurde) über Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und Mindesteinkommen, gerade für Immigrantinnen, bis zu einem Antidiskriminierungsgesetz für AusländerInnen.
„Wir müssen einfach ganz laut schreien, daß wir auch noch da sind“, resümierte Czarina Wilpert, US-Amerikanerin mexikanischer Abstammung. Nicht nur im Westen - die Immigrantinnen wollen sich jetzt auch in der vorwiegend deutschen Frauenbewegung in Berlin-West und -Ost Gehör verschaffen.
anb
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