: DKP: Nichts zu verlieren als ihre Mitglieder
■ Bremer Kommunistinnen trafen sich zur endgültig letzten Mitgliederversammlung / Kollektive Massenaustritte
Am Ende stand das Ende und sonst (fast) gar nichts: Ohne großes Aufhebens verabschiedete sich gestern im Oslebshauser Schulzentrum Alwin-Lonke-Straße die kommunistische Weltbewegung aus Bremen. Die Bremer DKP existiert faktisch nicht mehr. Nach ganztägiger Debatte auf einer letzten Mitgliederversammlung verabschiedete sich die Mehrheit der rund 400 letzten GenossInnen endgültig aus ihrer Partei und manche auch voneinander.
Sieben Stunden diskutierten die Genossen zum letzten Mal als Parteigenossen miteinander. Vorne, hinter den Präsidiumsköpfen hing trotzig noch einmal ein Rosa Luxemburg -Sätzchen, wie zum Beleg der These, daß sich mit den „Klassikern“ alles - von der Parteigründung bis zur Parteiauflösung - rechtfertigen läßt: „Menschsein vor allem ist die Hauptsache. Fest und klar und heiter sein. Ja, heiter - trotz alle
dem.“ Davor herrschte eher Katzenjammer, wurden Partei -Austritte begründet, Asche aufs eigene Haupt gestreut, persönliche Verantwortung für's Scheitern des Sozialismus im allgemeinen und der DKP im besonderen übernommen. Und das war's dann. Jedenfalls für die meisten. Am Ende langte es nicht mal mehr zu einer gemeinsamen politischen Abschlußresolution mit guten Vorsätzen für den vorgeschlagenen „Neubeginn der kommunistischen Linken in Bremen“: Die Mehrheit der versammelten Kommunistinnen und Kommunisten hatte schlicht keine Lust, an die Stelle ihrer gescheiterten alten Organisationsstrukturen gleich neue zu setzen: „Es ist ja nicht allein die DKP, es ist auch nicht nur der Versuch, die DKP zu erneuern gescheitert. Unsere gesamten ideologischen Prinzipien, unser Sozialimismus-Bild ist ins Rutschen gekommen,“ begründete Vorstandsmitglied Holger Wen
del, warum er mit „dem Thema erst mal durch“ sei.
Mit großer Mehrheit lehnte es die Versammlung schließlich ab, einen Antrag, „Formen für eine moderne revolutionäre Partei auszuprobieren“ und „einen Beitrag zur Einigung der Linkskräfte in Bremen“ jenseits der DKP auch nur abzustimmen. „Mir ist heute nicht nach neuen Konzepten für neue Organisationen. Mir ist danach, jetzt erst mal für mich selbst nachzudenken“, begründete eine Teilnehmerin ihren Geschäftsordnungsantrag, Neugründungs- und Neusammlungsvorschläge gar nicht erst abszustimmen. Sie erhielt heftigen Beifall und eine satte Mehrheit.
Eine satte Mehrheit fand sich am Ende auch auf den Unterschriften-Listen, die während der Diskussion durch die Tischreihen kreisten: Austrittserklärungen. Etwa zweihundert Genossen gaben kollektiv und demonstrativ ihr Parteibuch zurück. Schon zu
vor waren sie am Eingang schriftlich vom kollektiven Austritt der Klöckner-Betriebsgruppe informiert worden. Per Flugblatt hatten die Klöckner-Kommunisten darüberhinaus die Selbstauflösung der Partei vorgeschlagen.
Soweit kam es denn doch nicht. Und nicht allein, weil der Klöckner-Beriebsratsvorsitzende Peter Sörgel sich „Honecker idelogisch immer noch näher als den Grünen oder linken Sozialdemokraten“ fühlt, wie Sörgel bekannte. Wichtiger für den vorläufigen Verzicht auf die Parteiauflösung schienen vor allem zwei Gründe: Wer bleiben will - wie z.B. der langjährige Bremer DKP-Exvorsitzende, Hermann Gautier, - den mochten die GenossInnen auch durch Mehrheitsbeschluß nicht aus der Parteiheimat vertreiben. Außerdem fürchtete die Mehrheit, durch eine Selbstauflösung ihrem Düsseldorfer Parteivorstand nur einen willkommenen Vorwand für die sofortige Her
ausgabe aller Akten, Schlüssel und Kassen zu liefern.
Bis zum Ende des Jahres will der noch amtierende Parteivorstand den politischen und finanziellen Konkurs abwickeln und dann selbst aus der Partei austreten. Bis dahin soll das Büro in der Contrescarpe aufgelöst, Möbel und Büromaschinen verkauft sein. Aus den Erlösen soll ein Sozialfond für das runde Dutzend arbeitsloser Funktionäre geschaffen werden. Zu seiner Aufbesserung wurde gestern ein „Solidaritätskomitee für notleidende GenossInnen“ gegründet, das Spenden sammeln und Arbeitsplätze für Ex-Funktionäre suchen soll.
Daneben wichtigstes organisatorisches Rückgrat der DKP -Restbestände: Ein gestern eingesetztes Festkomitee. Mit einer großen Silvesterfeste will sich die DKP zum Beginn des neuen Jahrzehnts endgültig aus Bremen verabschieden.
K.S.
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