: Gehwegplatten von Dächern geschmissen
■ Schon wieder Randale um die Häuser in der Lübbener Straße / 14 Festnahmen nach „Anti-Räumungsfete“
„Für mich sind das zunehmend kriminelle Strukturen“, schimpfte Rainer Sauter vom Kreuzberger Stadtteil-„Verein SO 36“. „Diese Leute verstehen sich als Kämpfer für Gott und die Welt, greifen jetzt ganz offensiv Umsetzmieter an, wollen die Nachbarschaft einschüchtern - das ist der Punkt.“
Fakt ist, daß der eindeutig modernisierungsbedingte Leerstand der der Berliner Wohn- und Geschäftshaus GmbH (Bewoge) gehörenden Häuser Lübbener Straße 25-29 im hintersten Kreuzberg mittlerweile im Kiez zu einer beispiellosen Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Grüppchen der autonomen Szene und den gescholtenen „Integrationsstrategen“ geführt hat. So wurde das mit den diversen Stadtteilsanierern über Kreuz liegende örtliche Szene-Publikum zur Neujahrsnacht von Unbekannten per Flugblatt zur „Big Fire Show“ in den Hinterhof des Gebäudes Lübbener Straße 28 gebeten. Die Bilanz der Nacht: zehn verletzte Polizisten, diverse beschädigte Autos, zertrümmerte Scheiben beim Verein SO 36 und 14 Festnahmen wegen Verdachts des schweren Landfriedensbruchs. Die sieben Männer und sieben Frauen im Alter von 18 bis 33 Jahren befinden sich seit gestern nachmittag wieder auf freiem Fuß.
Laut Polizeibericht waren von den Dächern der sanierungsreifen Altbauten in der Lübbener Straße von mehreren Dutzend Personen Gehwegplatten, Eisenstangen sowie Ziegel- und Pflastersteine auf die Beamten geschmissen worden. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hätten Leute zu Pflastersteinen gegriffen. Bei der anschließenden Durchsuchung mehrerer verbarrikadierter Wohnungen und Dachböden seien „Stein-Depots, Molotowcocktails und gefüllte Benzinkanister“ gefunden worden. Nach Polizeiangaben wurden in einer der Wohnungen zwölf Leute festgenommen, aus der zuvor Steine geflogen seien.
Mit der Aktion sollte offenbar die Forderung unterstrichen werden, 30 befristete Nutzungsverträge für Wohnungen im Hause Lübbener Straße 27 bis Ende April zu verlängern. Nach den glaubhaft klingenden Darlegungen der Mieterberater vom Verein SO 36 und Mitarbeitern der Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. würde dies freilich bedeuten, daß schon einmal „umgesetzte“ Mieter noch länger auf die bevorstehende Modernisierung der Häuser Nr. 25 und 26 warten müßten. Es fehlten die Wohnungen in der 27 und 29 als Ausweichquartiere. Die betroffenen Mieter - zu dreiviertel türkische Großfamilien - hatten erst Ende November von der Bewoge ein „zügiges Bauen“ verlangt. Verbunden damit war die Aufforderung an die damaligen Besetzer, die Bautätigkeit nicht zu behindern.
thok
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