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Flaute bei den Grünen-betr.: "Grüne Raupe im grauen Kokon der GEwöhnung", taz vom 6.1.90

betr.: „Grüne Raupe im grauen Kokon der Gewöhnung“,

taz vom 6.1.90

Mit den Grünen sieht es schlecht aus, schreibt Gerd Nowakowski, fehlende Strukturen, Beliebigkeit der Themenwahl in der Fraktion, Bürgerferne, Klientelpolitik für die Bürgerinitiativen. Statt grau und langweilig zu warnen und zu klagen, sollten die Grünen lieber ein umfassendes Konzept des ökologischen Umbaus vorlegen, dann käme es auch nicht zu den schrumpfenden Mitgliederzahlen.

Meines Erachtens wird umgekehrt ein Schuh daraus. Tatsache ist, daß bei allen Organisationen: Parteien, Sportvereinen, Kunstvereinen u.a.m. (die alle ihre Fehler machen, genauso wie die Grünen), in der Gesamttendenz seit Jahren ein starker Mitgliederschwund zu beobachten ist. Der Konsumbürger bedient sich zwar gern der angebotenen Leistungen von Politik und Wirtschaft, kritisiert auch gern deren mangelhafte Qualität, ist aber nicht bereit, Zeit, Geld und Kraft selber zu investieren. In den aufregenden sechziger/siebziger Jahren mit ihren großen Entwürfen und heißen Demos fand man eine Menge Leute auf der Straße, die etwas für die Umwelt tun wollten. Geblieben ist eine verschwindend kleine Anzahl, die sich mit der täglichen Kleinarbeit vor Ort kontinuierlich abarbeitet. Es sind immer nur wenige, die die Umwelt- und gesellschaftlichen Probleme für so schwerwiegend halten, daß sie die zeitfressende Dauerbelastung und den Frust ihres Engagements ertragen.

Von den Grünen nun eine Vorbildfunktion und einen machbaren Zukunftsentwurf zu verlangen, ist sicher interessant, aber selbst wenn die Grünen das bringen könnten, glaubt doch wohl niemand ernsthaft, daß auch nur ein einziger Konsumbürger deswegen bei den Grünen mitarbeiten würde.

Dorothea Meinsen, Fiesoythe

Es ist schon eigenartig, ausgerechnet die Schreiber der taz, die in der Zeitung jahrelang die Parlamentarisierung und das Streben nach Ministersesseln bei Grünen und AL forciert haben, gegen Rotation und für Vereinheitlichung geschrieben haben, wundern sich jetzt über die fehlenden „ungelenken und frechen Parlamentarier“, die „die Republik beeindruckten“. Durch ihre Artikel haben zum Beispiel Klingelschmidt in Frankfurt und Nowakowski und andere in Berlin einen kräftigen Anteil an der Entwicklung der Grünen/AL und die damit verbundene Abwendung großer Teile der BI-Bewegung.

Welche/r NichtparteipolitikerIn hat schon Lust unter diesen Vorzeichen ins Parlament zu gehen?

Wolfgang Neumann, Hannover

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