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Neue Hoffnung für die „Birmingham Six“

Neue Beweise stärken Zweifel am Urteil / Freispruch in London  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die Hoffnungen der „Birmingham Six“ auf eine Wiederaufnahme ihres Falles sind am Montag gestiegen: Der britische Innenminister David Waddington versicherte gegenüber dem irischen Außenminister Gerard Collins bei einem Gespräch in London, er räume den neuen Beweisen, die von der Verteidigung vorgelegt worden sind, „höchste Priorität“ ein.

Gareth Peirce, die Rechtsanwältin der Birmingham Six, bestätigte, daß sie bereits vor Weihnachten neue Beweise und Zeugenaussagen beim Innenministerium eingereicht habe. Nach einer Prüfung durch Regierungsbeamte soll das Material in den nächsten Tagen an Waddington weitergeleitet werden. Obwohl keine Einzelheiten bekannt gegeben wurden, nehmen Experten an, daß die neune Beweise die Aussagen der an den Verhören beteiligten Polizisten widerlegen.

Die sechs Iren wurden 1975 für Bombenanschläge auf zwei Kneipen in Birmingham, bei denen 21 Menschen getötet wurden, zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Urteil basierte auf einem inzwischen diskreditierten forensischen Test sowie den Geständnissen der Angeklagten, die aus ihnen herausgeprügelt worden waren. Die Polizeieinheit der West Midlands, die für die Verhöre der Birmingham Six verantwortlich war, ist im letzten Jahr aufgelöst worden, nachdem den Beamten in mehreren Fällen die Fälschung und gewaltsame Erpressung von Geständnissen nachgewiesen worden war. Die öffentliche Untersuchung geht allerdings nur bis in das Jahr 1984 zurück.

Künstler, Politiker und Bischöfe aus Großbritannien und Irland setzen sich seit Jahren für die Freilassung der sechs Iren ein. Der britische Labour-Abgeordnete Chris Mullin, der 1985 ein detailliertes Interview mit den wahren Tätern geführt hat, glaubt, daß auch die britische Regierung längst von der Unschuld der Birmingham Six überzeugt ist. Sie suche jedoch nach einer Lösung, bei der sie ihr Gesicht einigermaßen wahren könne, sagte Mullin.

Die Sonderbehandlung von IrInnen durch britische Justiz und Polizei hat in der Vergangenheit häufig zu Spannungen zwischen Dublin und London geführt.

Am vergangenen Montag ist der 36jährige Nordire Daniel McBrearty von einem Londoner Gericht zwar vom Vorwurf des Sprengstoffbesitzes freigesprochen worden, jedoch wurde ihm aufgrund von Sondergesetzen ohne Angabe von Gründen das Betreten Großbritanniens verboten.

Diese weitreichenden Sondergesetze wurden nach den Anschlägen von Birmingham im Schnellverfahren vom Parlament verabschiedet und sind seitdem ausschließlich auf IrInnen angewendet worden.

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