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Dolce vita in Rio de Janeiro

■ Der gesuchte Baulöwe Christoph Schmidt-Salzmann ahnte nicht, daß ihm ein BKA-Zielfahndungskommando auf der Spur war / Er lebte in Rio in einer komfortablen Wohnung

Der am Dienstag abend in Rio de Janeiro festgenommene Rechtsanwalt und Baulöwe Christoph Schmidt-Salzmann (43) wird vermutlich in den nächsten Tagen in die Untersuchungshaftanstalt Moabit überstellt werden. Das teilte gestern Schmidt-Salzmanns Rechtsanwalt Manfred Studier auf Nachfrage der taz mit. Nach Angaben von Studier hat sich sein Mandant freiwillig zur Ausreise bereit erklärt. Die Berliner Behörden brauchen somit kein Auslieferungsersuchen zu stellen, das einige Zeit in Anspruch genommen hätte, weil es zwischen der Bundesrepublik und Brasilien kein Rechtshilfeabkommen gibt. Zeitliche Verzögerungen könnten sich allerdings noch ergeben, wenn die Brasilianer Schmidt-Salzmann Schwierigkeiten wegen Paßvergehens machen.

Der in Berliner Unterweltkreisen kurz „CSS“ genannte Millionärssohn Christoph Schmidt-Salzmann hatte in Rio mit gefälschten Papieren unter dem Namen Julian Heuss gelebt. Drei Jahre, nachdem er in Berlin abgetaucht war, schnappten am Dienstag abend die Handschellen an seinen Gelenken zu, kaum daß er in einem privaten Telefonladen nahe der Copacabana den Hörer aufgelegt hatte. Die Festnahme erfolgte zwar durch Beamte der brasilianischen Polizei, ist aber auf drei Beamte eines sogenannten Zielfahndungskommandos des Bundeskriminalamts (BKA) zurückzuführen. Die Beamten waren Anfang Dezember 1989 auf Schmidt-Salzmann angesetzt worden. Nachdem sie sondierten hatten, daß es unter den engen Freunden von CSS eine „Reisebewegung“ nach Brasilien gab, setzten sie sich Anfang Januar selbst ins Flugzeug nach Rio. Vor wenigen Tagen kamen sie in einem Hotel auf die heiße Spur: Ein Schriftvergleich mit den Eintragungen im Empfangsbuch ergab, daß Schmidt-Salzmann dort residiert hatte. Die drei Beamten des Zielfahndungskommandos legten sich in dem Nobelviertel an dem berühmten Strand Copacabana auf die Lauer, derweil rund 15 brasilianische Beamte für sie in den umliegenden Häusern die Klingeln putzten. Wie CSS schließlich gefunden werden konnte, wollte der Sprecher des BKA Fundermann der taz nicht verraten: Die Preisgabe der Methoden könnten andere Fahndungen beeinträchtigen. Bei CSS, der „perplex“ gewesen sein soll, sei ein Schlüssel für eine komfortable Wohnung in dem Nobelviertel gefunden worden, die inzwischen durchsucht wurde. Das konkrete Ergebnis war Fundermann nicht bekannt, es soll aber einiges darauf hingedeutet haben, daß CSS in Rio von seinem Vermögen gezehrt und eine „dolce vita“ geführt habe.

Das BKA-Zielfahndungskommando wurde 1980 gebildet und besteht aus rund 13 Beamten. Es ist nicht zu verwechseln mit einem anderen Zielfahndungskommando, das ausschließlich auf RAF-Angehörige angesetzt wird. Das erstgenannte Kommando wird in der Regel auf hochkarätige Kriminelle und NS -Verbrecher angesetzt. Die Erfolgsbilanz: 1986 wurde die Grabstelle des NS-Arztes Joseph Mengele in Brasilien ermittelt. Im selben Jahr wurde der Ausbrecherkönig „Lucki“ auf Sylt ausfindig gemacht. Der Bankräuber und sechsfache Ausbrecher Hermann Sterr wurde in Lima gefunden. Er entkam wieder, weil er seinen Wärter bestochen hatte, wurde dann aber doch noch in Nizza gefaßt. Der Wärter hingegen ward nie wieder gesehen.

plu

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