piwik no script img

Besser ist die Industrie

■ Philharmonisches Kammerkonzert in der Glocke

Man könnte angesichts des 4. Philharmonischen Kammerkonzertes einmal wieder über den Sinn der rituellen Konzertmühle bürgerlicher Prägung sinnieren. Jenseits der kritischen Einwände gegen die omnipotente Techno -Sinnlichkeit der HiFi-Industrie bleibt ein sachlicher Aspekt bestehen: Die „technische Ware“ Musik ist reproduzierbarer, prüfbarer, handlicher, gegenwärtiger als ein Konzert; mithin auch - selbstverständlich abhängig von den Interpreten - zunehmend präziser hinsichtlich der Werke selbst. Es ist nicht allein der Industrie zu verdanken, daß „unsere“ Konzerte einer Friedhofskultur gleichen. Das ökonomische Kalkül der Techno-Industrie schaufelte eigentlich nur im richtigen Augenblick das Grab zu, in das sich das Bürgertum mit der Domestikation des „Virtuosen“ im 19. Jahrhundert gelegt hatte. Konzerte heute, wie jenes des „Takacs-Quartett“ im kleinen Glockensaal, sind Totengesänge in Kulturgrüften. Damit korrespondiert auch die fossile Struktur des Publikums: man glaubt, an der Unsterblichkeit teilzuhaben. Zombie-Happenings, in denen nur die Gemeinschaft der Leblosen scheinhaftes Leben suggeriert. - Vielleicht ist es eine unangemessene Form, auf ein Kon

zert mit dem Hinweis auf Produkte der Plattenindustrie zu antworten, und trotzdem ist es den Versuch wert, einmal aus dem Kreislauf der Musikkritikerterminologie auszubrechen.

1. Der romantischen Verfremdung des Streicherquartetts d -moll, KV 421 durch das „Takacs-Quartett“ wäre die Einspielung des „Salomon String Quartett“ (Hyperion CDA66170) vorzuziehen. Noch nicht perfekt, aber annähernd werden in dieser Aufnahme spielpraktische Konventionen des 18. Jahrhunderts berücksichtigt.

2. Der müden Interpretation von Bartoks fünftem Streichquartett gegenüber könnte man die wesentlich getreuere Einspielung desselben „Takacs-Quartett“ aus dem Jahre 1984 (Hungaroton SLPD 12502-04) empfehlen.

3. Bezüglich Beethovens Streichquartett F-Dur, op. 135 ist nach wie vor das „LaSalle Quartett“ (Deutsche Grammophon 2740 168) zu bevorzugen. Schnelle Tempi und der widerspenstige, schroffe Ausdruck gerade des späten Beethoven werden hier ziemlich genau herausgearbeitet.

Das „Takacs-Quartett“ spielte nicht unbedingt schlecht, aber von den Werken bisweilen weit entfernt. H. Schmid

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen